Uri Bülbül

Ördek lachte. «Ach, er ist schon in Ordnung, stichelt halt sehr gerne. Aber im tiefsten Innern seines Herzens mag er genau solche Menschen, Themen und Werke.» Else sah ihn fragend von der Seite an, was ihm nicht entging, obwohl er nach vorne auf die Straße blickte. «Ich würde mal sagen: Künstler im weitesten Sinne des Wortes - können ja auch Lebenskünstler sein. Nicht jeder hat das Zeug, Autos zu reparieren. Ali jedenfalls hat den Besitzer des Babybenz in der Villa versucht zu erreichen, aber kein Handy und kein Festanschluss reagiert auf seine Anrufe. Also kann ich nun ganz viele Fliegen mit einer Klappe schlagen. Einen ganzen Mückenschwarm sozusagen. Und Sie kommen heile und froh und munter an Ihrem Ziel an.» Sie schoben sich gemächlich durch den Feierabendverkehr, die Hektik um sie herum interessierte sie nicht; im Kombi herrschte eine andere Atmosphäre. «Vielleicht brauche ich auch ein Auto. Können Sie mir Ali empfehlen? Oder soll ich einfach aus dem Internet ein Auto kaufen?» «Oh, nein, tun Sie das besser nicht. Natürlich kann ich Ihnen Ali empfehlen. Ich werde ihm auch von unserer Fahrt erzählen, wenn ich meinen Deal mit Ali abschließe. Was hätten Sie denn gern für ein Auto? Etwas Sportliches?» «Ja, am liebsten einen Porsche oder Jaguar - kann ruhig ein älteres Baujahr sein, aber gut erhalten natürlich. Das ist schon sehr wichtig.» «Ich denke, Sie wären bei Ali genau richtig. Ihnen wird die Werkstatt gut gefallen, zumal auf dem Hof nun ein kleiner Garten wie eine Oase in der Betonwüste angelegt ist mit einer Pergola, um die ein Wein rankt. Samstags nach Feierabend wird dort gegrillt.» «Kommt denn sonst jemand aus der Villa zum Grillen oder Autokauf zu Ali?» «Keine Ahnung. Offen gestanden, ist unsere Freundschaft mit Ali eher oberflächlicher Natur. Er ist ein guter Kerl und ich mag ihn gut leiden, aber sehr eng sind wir nicht miteinander und sehen uns nur, wenn mich die ins Stocken geratende Mobilität in die Werkstatt treibt. Spätestens alle zwei Jahre, wenn der TÜV fällig wird.» Else musste über Ördek schmunzeln. Irgendwie hatte Ali recht, ihn als ein Greenhorn zu bezeichnen. Er war nicht ganz von dieser Welt, und das machte ihn für Else sympathisch. «Wissen Sie, lieber Ördek, die Sache ist nämlich die...» «...lieber Ördek, haha, das ist aber eine sehr schöne Anrede!» Kurz schwieg Else darauf, um zu signalisieren, dass sie nicht unterbrochen werden wollte und setzte dann neu an: «Die Sache ist nämlich, dass ich niemandem, aber wirklich niemandem etwas von meiner Ankunft hier erzählt habe. Ich habe spontan meine Koffer gepackt, mich in den Zug gesetzt und bin losgefahren. Ich hätte auch zwei Tage später kommen können.» «Woher also wissen Sie und Ihre Freunde von meiner Ankunft?» Sie fuhren gerade aus der Stadt heraus, sie hatten die Landstraße erreicht. «Wirklich?» Ördek wirkte erstaunt. War er wirklich so ein guter Schauspieler? Der freundliche Mann am Steuer hatte eine herzerfrischende Naivität an sich.

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Sie grüßte ihn kurz und ging weiter, ohne sich etwas anmerken zu lassen. Koller sah ihr nach. Er konnte Igor verstehen; es war eine sehr attraktive Vierzigerin, der zu widerstehen wohl jedem Mann schwer fiel.

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Aber kehren wir an den Abend zurück, zu Else und Ördek unterwegs in das psychiatrische Sanatorium. Der freundliche Mann hinter dem Steuer des alten Mercedes T-Modell hatte Else gesagt, sie könne ihn alles fragen, was sie wolle. «Sehr freundlich. Das werde ich auch! Es gibt ja bekanntlich keine dummen Fragen, sondern nur dumme Antworten», sagte sie etwas schnippisch. Sie wollte sich ihre Souveränität so leicht nicht von einem “Taugenichts”, wie er sich selbst bezeichnete, aus der Hand nehmen lassen. Er fuhr freundlich und gelassen durch die Stadt; der Feierabendverkehr störte ihn nicht weiter, er schien Freude am Fahren und an diesem Auto zu haben. «Werden Sie es kaufen?», fragte Else. Sie wollte nicht zu neugierig und angespannt wirken. Schließlich konnte sie als Leiterin diese Villa mit der Zeit nach ihrem Willen gestalten, was sie im Moment auch sein mochte. Womöglich der heimliche Treffpunkt einer Autoschieberbande? Man wusste ja nie, was so auf einen zukam. Und Else ahnte in der Tat nicht im Leisesten, dass dies noch die harmloseste Variante einer Hypothese über die Villa sein sollte. «Darf ich auch Ihren Namen erfahren? Meinen kennen Sie ja bereits» «Ali nennt mich immer “Ördek”! Nennen Sie mich ruhig auch so, “Ördek” ist auf Türkisch so etwas wie ein Greenhorn auf Amerikanisch.» «Taugenichts Ördek Greenhorn! Na an Ihrem Selbstbewusstsein müssen Sie aber noch arbeiten», sagte Else. «Ich glaube, ich werde das Auto tatsächlich kaufen. Ali muss mir eine gute Zahlungsweise einräumen. Er schien dazu gewillt. Und um auf Ihre andere Frage zurückzukommen: ehrlich gesagt, weiß ich nicht genau, was Ali mit der Villa zu tun hat. Aber ein Babybenz mit sechs Zylindern steht bei ihm mit Kolbenfresser auf dem Hof, weil jemand Zucker in den Tank geschüttet hat - muss in der Villa passiert sein. So kamen wir auf die Villa zu sprechen und dann eben auf Sie und dass ich Sie vom Bahnhof abholen könnte», erzählte Ördek. Aber das alles war ja äußerst unglaubwürdig und warf nur noch mehr Fragen auf. Niemand wusste etwas von Elses Ankunftszeit, ein Außenstehender erst recht nicht. Else hatte es niemandem erzählt und doch wurde sie am Bahnhof extra abgeholt. Auch die panische Angst des Taxifahrers, als er die Adresse hörte, war weder zu übersehen noch zu vergessen. Auf Else wartete folglich ein mysteriöses Abenteuer, aber Otto hätte sie niemals wissentlich in Gefahr gebracht. Insofern rechnete sie mit nichts, womit sie nicht fertig werden konnte. «Der Babybenz mit dem Zucker im Tank und dem Kolbenfresser unter der Haube gehört wohl einem Kumpel von Ali - Ali meinte, er sei auch so ein Tagedieb wie ich, arbeite in einem Theater, wenn man denn so etwas überhaupt “Arbeit” nennen dürfe!» «Tagedieb, Greenhorn… Ali macht alle ganz schön nieder, wie es sich anhört.

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Und Ali nannte mir Ihren Namen, den ich mir schon nicht richtig merken konnte. Bitte entschuldigen Sie vielmals.» Er war nicht aufdringlich, aber seine Blicke tasteten sie kurz auf ihre Weiblichkeit ab, was ihr nicht entging. Ein Charmeur, dachte sie. «Repariert Ali Oldtimer?», versuchte sie ihm sanft auf den Zahn zu fühlen. Er lächelte: «Alis Werkstatt ist ein Umschlagplatz menschlicher Mobilität, möchte ich mal sagen», antwortete er dann. Else war über seine Ausdrucksweise erstaunt, wahrscheinlich war er ein Langzeitphilosophiestudent oder einer, der sein Studium schon abgebrochen hatte oder aber er schrieb seit zwei Jahrzehnten an seiner Doktorarbeit, hatte hunderte Seiten Bücher kopiert und ebenso viele exzerpiert, sich Notizen gemacht und etliche Kapitel fragmentarisch geschrieben und kam einfach zu keinem Abschluss. «Und Sie helfen Ali?», fragte sie forschend. «Ich wollte mein Auto über den TÜV bringen und habe gehofft, dass Ali mir dabei hilft, stattdessen will er aber, dass ich ihm dieses Auto abkaufe. “Genau das richtige Auto für dich!”, behauptet er. Und nun habe ich die Gelegenheit, das Nützliche mit dem Angenehmen zu verbinden. Dann verfahre ich auch nicht unnötig Benzin, und es ist allen geholfen!» Wieder lächelte er. Sie musste unweigerlich zurück lächeln. «Was hat Ali mit der Villa zu tun?» fragte sie nach einer kurzen Anstandspause, sie wollte nicht wie in einem Verhör klingen. Aber vielleicht war diese Frage auch im Falle des Inhabers eines Umschlagsplatzes menschlicher Mobilität auch völlig deplatziert. «Sie können alles fragen, was Sie möchten», sagte er empathisch.

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Stunden später an seinen Dienstplatz zurückgekehrt erwartete ihn dort eine bitterböse Überraschung! Sein Chef höchstpersönlich! «Igor! Igor! Ich frage gar nicht, wo du warst!» Diese Begegnung war Igor höchstnotpeinlich. «Herr Koller, ich… ich… » «Ja, ja, Herr Koller, ich… ich… Ich will das gar nicht hören, Igor! Ich bezahle dich dafür, dass du in deinem Pförtnerhäuschen sitzt am Eingang dieses Hauses, in dem wichtige Personen wohnen und die sich auf unseren Schutz verlassen, und deine Monitore im Auge hast, wer ein- und ausgeht registrierst und im Notfall den Alarmknopf drückst. Für nicht mehr und nicht weniger! Du aber, Kollege, bist genau vier Stunden und zweiundzwanzig Minuten nicht an deinem Platz. Wir sind eine Sicherheitsfirma. Meinst du, ich überwache meine Leute nicht? Vier Stunden und zweiundzwanzig Minuten nicht am Platz, sondern bei Frau Hardenberg im Penthouse, Igor! Darauf gibt es von mir nur eine Antwort: Du bist fristlos gekündigt! Ich möchte sofort deine Dienstwaffe. Deine Uniform möchte ich innerhalb von 24 Stunden.» Igor übergab Herr Koller wortlos seine Waffe im Halfter. Fristlos hieß, er konnte sofort nachhause, was er auch tat. Als Katja Hardenberg am nächsten Morgen das Haus verließ und am Pförtnerhaus vorbeikam, stutze sie kurz. Es war weder Igor noch sein Kollege da, sondern ein fremder neuer Mann in Zivil, der sie scharf beobachtete.

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Die Shoutouts haben vermutlich die Anzahl der Menschen, die sich auf ask.fm aufhalten erhöht. Die Anzahl der Klicks und des Datenverkehrs ebenfalls. Die Antworten sind gewiss wenig intelligent bis nervtötend und einsilbig wie die Fragen-Shoutouts. Die interessante aber etwas aufwendige Threadstruktur, wonach Fragen und Unterfragen mit der Aufforderung "Frag weiter und schau, was passiert!", wodurch sich schöne und übersichtliche Themenkomplexe bilden konnten, ist zurückgenommen worden. Der wortreiche Austausch von Menschen ist trotz der möglichen 3000 Zeichen als Antwort nicht wirklich erwünscht. Sind für den ask-Server sicher Datenmüll ohne Ertrags- sprich: Profitwert. Der Profit entsteht nur durch die Werbung hier, und die Preise hierfür steigen mit den Nutzerzahlen und den Klicks auf Seiten und nicht mit der humanoiden Intelligenz und Eloquenz wortreicher Antworten.

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So betrachtet könnte man die Druiden-Frage https://ask.fm/druide0815/photopolls/205230493 auch beantworten, indem man auf die vielen süßen Schäflein klickt. Ohne die vielen Schäflein schläft hier der Profit ein. Aber die Schäflein sind doch für sich genommen vollkommen bedeutungslos, wenn nicht jemand ihren materiellen Wert erkennen und mit der Schafzucht und der Schererei anfangen würde, um Wolle zu produzieren. Es bedarf also des planenden und ausnutzenden Geistes. Also sollte Ihre Frage, werter @druide0815 , nicht mit den Schafen korrekt beantwortet sein. Die Schafe gehören zwar zum System, aber sie sind weder die Erfinder, noch die Planer und Profiteure. Aber mal wieder kann ich Ihnen nicht einfach nur beipflichten: «Mal ne Frage zu dem ganzen 'Shutout-Irrsinn' hier. Sind das alles nur aufdringliche und verwirrte Kasper, die urplötzlich aus dem NICHTS erschienen sind? Oder handelt es sich dabei um eine zentral gesteuerte Aktion...( zu welchem Zweck auch immer )» Aufdringliche und verwirrte Kasper gibt es zuhauf, nun werden sie magnetisch wie magisch von ask.fm angezogen. Ob ich dasselbe mit der Formulierung „zentral gesteuerte Aktion“ verbinde wie Sie, wage ich zu bezweifeln. Aber gewiss ist die neueste Entwicklung von der Redaktion gewollt und angestrebt. Während wir uns hier darüber aufregen, wie hohl die Shoutouts sind, reiben sich die ask-Aktionäre die Hände und als brav wird die Redaktion gelobt, die diesen Namen „Redaktion“ längst nicht mehr verdient.

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Zum Abschluss also zwei Shoutouts von mir nur für Sie, mein Lieber:
@Klugdiarrhoe : Hallo
@druide0815 Hallo - (mehr sollten Sie darauf nicht antworten.)

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@Klugdiarrhoe : Guten Abend.
@druide0815 : Na dann, gute Nacht!

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Die Nächte werden wieder länger, mein Lieber! Der Winter naht.

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Da war also nicht die Sehnsucht nach eitlem Glanz und Glorienschein der Intelligenz eines jungen aufstrebenden Geistes, sondern ganz tief in seinem Innern höchste Sorge, ja vielleicht sogar Angst, womit er auf gar keinen Fall allein sein wollte. Im Grunde war doch der Theaterphilosoph nicht besser dran als der junge Geisterseher. Diese Realität zu leugnen und sich und Ben etwas vorzugaukeln, war für niemanden von Vorteil. Ignoranz und Leichtsinn konnten geradewegs in die Katastrophe führen. «Was schlägst du vor?», fragte er @Gedankenkammer.

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Entspannt und entleert lag Igor neben Katja, döste vor sich hin, und auch Katja war in einer angenehmen Stimmung. Sie hatte sich wieder gefangen, der Sex mit Igor hatte ihr gefallen, wurde immer besser. «Igor, mein kleiner James Bond», flüsterte sie. Schließlich war sie ja nicht um den Verstand gevögelt und durchaus in der Lage, einen Strategiewechsel zu vollziehen und das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden. Was es mit dem Igel und Igor auf sich hatte, sie würde das schon alles noch herausbekommen. Der Security-Mann brummte wohlig. Erst nach einer ganzen Weile am Ende seiner langen Leitung angekommen, entstand ein Satz mit einem Fragezeichen: «James Bond?» Katja beschloss, ihn zappeln zu lassen. Die Wahrheit erzwingt man nicht mit Daumenschrauben; da gibt es weitaus subtilere Mittel und Wege und obendrein waren sie für alle Beteiligten weitaus angenehmer. Sie tat einfach so, als hätte sie die Frage gar nicht gehört. In dieser schummerigen Dämmerstimmung war das nicht schwer zu spielen. Igor fragte auch nicht mehr weiter nach.

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Sie folgte dem Ruf in den tiefen Westen, wo nun die Sonne unterging und der Taxifahrer schleunigst davon fuhr, als er die Adresse hörte. «Seltsam, seltsam», dachte Else bei sich. Noch stand sie unentschlossen am Taxistand auf der Fahrbahn, als ein alter Mercedes vorfuhr. Ein Kombi, der als T-Modell in die Annalen der Autogeschichte einging, blieb neben ihr stehen, als wäre er ein Taxi. Ein freundlicher dunkelhaariger Mann ließ die Scheibe hinab und fragte: «Else @Erwachsenenschreibtisch?» Else stutzte. Der Mann wollte sich schon entschuldigen, sie fälschlich angesprochen zu haben, als er ihren Gesichtsausdruck wahrnahm; sie korrigierte das entstehende Mißverständnis sofort: «Ja, Else stimmt, aber nicht @Erwachsenenschreibtisch, sondern ...stammtisch! @Erwachsenenstammtisch!» Der Mann strahlte sie an, stieg aus, um ihr mit den Koffern behilflich zu sein. «Entschuldigung. Aber es ist schon richtig, dass Sie zur Villa am Venusberg fahren möchten, in den Hattinger Wald?» «Ja, das ist wohl wahr!» Und schon hatte er ihre Koffer im geräumigen alten Wagen platziert. Dann hielt er ihr die Beifahrertür auf. «Arbeiten Sie in der Villa?», fragte sie, als sie losfuhren. Er lachte, «nein, nein, ich bin ein Taugenichts. Ich verbringe manchmal Zeit in Alis Werkstatt und war neugierig; da hat der Kauz gesagt: du kannst ja eine ankommende Dame zur Villa fahren.

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