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Uri Bülbül

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Ich werde mal die Produktionsfrequenz bei den SOKRATES-Romanteilen ein wenig erhöhen. Ich schicke auch eine Kritik-Frage an meine Freunde; bin schon auf die Reaktionen gespannt. Nun aber zur Folge 17...

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«Vielleicht ist sie die Tochter des ominösen Doctors?» spekulierte er vor sich hin, «oder die grausame Nachtschwester, die widerspenstige Patienten halbtotmorphiniert?» Wie auch immer. Er war ja schließlich kein Patient, sondern – ja, wie sollte er sich nennen? - ein Ratsuchender. Seine Freundin, die Rechtsanwältin hatte ihm den Herrn Doctor Parranoia empfohlen. Er betete das so vor sich hin, als müsste er sich eine Rolle einprägen.
«Guten Abend!» Er erschrak sich und konnte nur schwer einen Schrei unterdrücken. Einige Schritte hinter ihm stand ein junger Mann in einem dunklen Seidenanzug, weißen Hemd mit einer leger sitzenden Krawatte um den Kragen, dessen erste Knöpfe aufgeknöpft waren. Seltsame Schatten umspielten sein schmales langes Gesicht; sowohl seine Stimme als auch seine Augen wirkten freundlich und ein wenig verträumt. Er lächelte: «Entschuldigung, ich wollte Sie nicht erschrecken. Es kommt selten ein Gast um diese Stunde hier her. Willkommen im Irrenhaus. Sie sind doch kein Patient, oder?» Der Mann mit der ramponierten Nase entspannte sich schnell, sein Lachen klang aber dennoch gepresst und nervös: «Nein, ich bin kein Patient. Noch nicht...» Schon tat ihm diese Bemerkung Leid; denn sie jagte ihm Angst ein. Sie konnte ein Unheilsbote sein. Der junge Mann schien seine Gedanken zu erraten und schmunzelte: «Zodiac mein Name.» Er kam näher und streckte ihm die Hand entgegen. «Uri Nachtigall. Und Sie? Sind Sie Patient hier?» «Nein, ich wohne hier in diesem bescheidenen Häuschen und arbeite ab und an für Herrn Doctor.» Zodiac hatte auffällig teuere Schuhe an; sie hatten bestimmt ein kleines Vermögen gekostet. Er wirkte aber insgesamt so, als würde ihm die ganze Vornehmheit nichts bedeuten. Er war eben damit geboren und aufgewachsen; das Vornehme war ihm wie eine zweite Haut. Er trug sie lässig und selbstverständlich. «Möchten Sie zu mir herein kommen? Ich habe den Luxus eines offenen Kamins im Wohnzimmer. Wir könnten etwas trinken und uns unterhalten. Und Sie erzählen mir, was Sie hierher treibt.»
«Danke, sehr freundlich von Ihnen. Aber ich möchte bald wieder fahren. Ich wollte nur ein paar Minütchen mit Herrn Doctor Parranoia sprechen.»
«Er wird Sie um diese Zeit nicht empfangen, fürchte ich. Wissen Sie? Jedes menschliche Ego kann gebrochen werden. Jeder hat seine persönlichen Schwächen, die er versucht zu verstecken. Jeder hat seine sprichwörtlichen Leichen im Keller, die niemand sehen soll. Möchten Sie mir von Ihren erzählen?*»
Das machte Uri Nachtigall Angst. Was für ein Redeschwall so plötzlich und direkt? Vielleicht war das doch ein Patient des Hauses, und womöglich einer, der unerlaubt sich im Freien aufhielt. Uri Nachtigall suchte nach einer Ausflucht. Zodiac entging das keineswegs. «Entschuldigen Sie, ich bin mal wieder mit der Tür ins Haus gefallen. Aber ich möchte Sie nicht erschrecken oder bedrängen. Ich hätte mich nur über ein wenig Gesellschaft gefreut. (* @Zodiac6000 )

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Ok... Als ich heute die Diskussionsfrage gestellt habe, habe ich so viele Antworten bekommen wie selten... Aber viele bringen etwas durcheinander... Daher schicke ich eine zweite Frage hinterher: Was ist für dich der Unterschied zwischen Diskussion und Streitgespräch?

Zunächst könnte man spontan auch meinen, es gibt gar keinen Unterschied zwischen Diskussion und Streitgespräch. Das erste ist ein Lehnwort, das zweite ein deutsches Wort womöglich für ein und dieselbe Sache. Mir ist aber eingefallen, dass man in der Analysis (eine Disziplin der höheren(?) Mathematik) auch von Kurvendiskussionen spricht. Dabei bestimmt man einige Eigenschaften einer mathetmatischen Kurve im Koordinatensystem, die zu einer Funktion gehört. Dabei geht es aber nicht um das Für und Wider einer Kurve, sondern um die Untersuchung der Eigenschaften.
Wenn Germanisten ein Problem erörtern sprich diskutieren, dann könnte man das auch so ähnlich sehen und sagen, es gehe ihnen um die Eigenschaften des Problems, seiner Fragestellung und Lösungsmöglichkeiten. Aber es kommt auf jeden Fall auch der Aspekt eines Für und Wider ins Spiel. Dennoch müsste man sich darüber nicht streiten. Schließlich geht es in einer Diskussion um einen gemeinsamen Erkenntnisversuch. Alle beteiligten möchten, wie sie die Sache auch betrachten, einen Erkenntnisgewinn bei dieser Betrachtung haben. Also haben auch alle bei aller Unterschiedlichkeit der Positionen auch ein gemeinsames Erkenntnisinteresse.
Doch durch Rechthaberei und Hierarchiedenken gerät genau dies schnell aus dem Blick und man fängt bei unterschiedlichen Positionen an, sich zu streiten. Bei einem Streit geht es um die persönliche Durchsetzung, da spielt der Machtfaktor eine Rolle; man sagt zwar, man wolle den anderen überzeugen; was man aber tatsächlich will, ist, den anderen intellektuell in die Knie zu zwingen. Meist ist ein Streitgespräch immer nur dann interessant, wenn dritte Zeugen davon sind. Denn diese kann man für sich gewinnen und dadurch seinen Einfluss und seine persönliche Macht steigern; dem völlig untergeordnet ist das Erkenntnisinteresse. Wer sich in einem Streitgespräch einsichtig zeigt und den Standpunkt des anderen übernimmt oder zumindest gewisse Zugeständnisse macht, hat verloren.
Bei einer Diskussion ist es nicht so. Gerade durch These und Gegenthese erreicht man auf einer höheren Ebene eine bessere Erkenntnis. Das wäre eine dialektische Diskussion. Um dem dienlich zu sein, könnte jemand auch ohne wirkliche Überzeugung die Gegenposition übernehmen und den advocatus diaboli spielen. Wenn jemand bei einem Streit Positionen einnimmt, die er nicht ernst meint, dann höchstwahrscheinlich um sein Gegenüber zu irritieren und aus der Fassung zu bringen. Das Ärgern ist das Ziel.
In der Parteiendemokratie hat sich das Streitgespräch gegenüber der Diskussion durchgesetzt; schließlich geht es um Macht und Einfluss und viel weniger um Erkenntnis. Damit der Streit nicht aus den Fugen gerät (es gibt aber viele Fälle von Schlägereien und Schießereien im Parlament) hat man eine Debattenkultur entwickelt. Das Debattieren ist im Gegensatz zum Diskutieren nicht mit Erkenntnis verbunden, sondern nur mit Durchsetzung. Das Streitgespräch ist die weniger reglementierte Form einer Debatte, meine ich.

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Wo beginnt für dich Verrat und wie würdest du das überhaupt erst definieren?

Verrat an der Freundschaft, Verrat von Geheimnissen, Verrat durch Vertrauensbruch sprich Untreue, Verrat an einer Idee, sei sie politisch oder philosophisch. Es gibt eine Menge Spielarten von Verrat, der auch von Erwartungen abhängt. Ich habe einen Versuch in meinem Buch «Der Auftrag» unternommen, um den psychologischen Mechanismen, die zu einem Verrat führen können, nachzuspüren. Wie alles in der Welt geschieht ein Verrat auch nicht aus heiterem Himmel ganz ohne Grund und Motive.
Und manchmal fühlt man sich auch verraten, obwohl der andere in seinem Verhalten diesen Verrat weder beabsichtigt hat noch sieht.
Der Verrat ist ebenso vielschichtig wie seine Kehrseite die Treue.
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Stell dir vor du wärst Lehrer/Lehrerin. Welche Fächer und welche Altersklasse würdest du unterrichten und weshalb? Was für eine Art von Lehrer wärst du deiner Meinung nach?

HeuteBinIch14’s Profile PhotoGundel Gaukel ey
Iiiiih, Gundel, dass du auch immer die ekeligsten Fragen stellen musst! Für mich gibt es zwei wirklich widerliche Institutionen: nein, es ist nicht die Pathologie der Gerichtsmedizin, nicht das städtische Krematorium, nein, nicht die Kläranlage, in der es so furchtbar stinkt, nein nicht einmal das Finanzamt. Es sind Schule und Militär. Beide so nah beieinander und beide miteinander verwandt. Beide ausgerichtet auf Drill und Gehorsam, zur Abrichtung des Menschen zur Erfüllung von Zwecken, die seinem Wesen fremd sind, unter radikaler Ausschaltung seiner Individualität. In beiden Institutionen werden ihm natürliche Instinkte und Intuition abtrainiert zugunsten von Verhaltensweisen, die jedem Individuum radikal schaden: Gehorsam, Aufopferung, Fremdbestimmung, Töten und Sterben, als Teil eines Apparates utilitaristisch denken, aber nicht für den eigenen Nutzen, sondern den des Apparates. Der Mensch als brave Ameise.
Und nun soll ich darin eine Feldwebelfigur abgeben. Danke. Du bist ein Schatz!
Ich will niemanden unterrichten: mit Kindern spiele ich, mit Jugendlichen diskutiere ich und spiele literarische, philosophische und theatrale Spiele und lasse den blöden Apparat Apparat sein. Mir sind meine Fächer und mein Wissen zu kostbar, um sie durch den Fleischwolf des Unterrichts zu drehen. Wozu auch? Ich habe doch ask und dich.

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Weißt du was am 8 Mai "jahrestag" hatte?

sopzock’s Profile PhotoSam
Keine Ahnung, haben deine Eltern geheiratet? Oder kapitulierte 1945 das Tausendjährige Reich nach läppischen zwölf Jahren? Oder wird der Tag als Weltfrauentag gefeiert? Ach nee, das war ja am 8. März. Was war nur am 8. Mai Nennenswertes?

Was bedeutet "Glück" für dich?

herbularasa’s Profile Photoशिव
Eigentlich ist das Leben Glück, Glück aber muss erkannt werden. Wer nicht das Glück hat, es erkennen zu können, muss leiden.
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Was sagt ihre Musik über eine Generation aus?

nureinkritiker’s Profile Photoein name
Liebes Humankapital, ich weiß gar nicht, ob du auf diese Frage überhaupt noch eine Antwort erwartest, die mich vor einem halben Jahr erreichte. Aber ich will ja, so mein Ehrgeiz, alle Fragen beantworten - also auch ganz alte.
Aber diese Frage wurde nicht umsonst so alt; denn mir fällt die sinnvolle Antwort darauf wirklich schwer; sie impliziert schließlich, dass die Musik über eine Generation etwas aussagt. Aber ist die Frage nicht zu abstrakt gestellt? Hören Menschen einer Generation dieselbe Musik? Oder wird nicht viel mehr eine Generation über eine zeitweilig typische Musik definiert?
Es ist sicherlich möglich aber nicht ganz einfach, eine inhaltliche Aussage über Musik und ihre Wirkung auf Menschen zu formulieren. Wir befinden uns aber damit im Bereich der Hermeneutik, also der Kunst oder Wissenschaft (da gehen die Meinungen wohl auseinander), der sich wesentlich auf die Interpretation als Methode und Vorgehensweise verlässt.
Nehmen wir Schlagermusik. Die einfachen Rhythmen, die schlichte, sich immer wiederholende Struktur und die Pseudofröhlichkeit der Texte haben für mich etwas Abstumpfendes. Sie ist die Kehrseite der Marschmusik, mit der man kraftmeierisch in das fröhliche kriegerische Morden ziehen konnte; beim Schlager ist das Böse der Zeit überstanden und das Volk entspannt sich in frischer Fröhlichkeit.
Durch Typen wie Gildo Horn wurde die Schlagermusik ein wenig ironisiert, aber zugleich auch wiederum einem jüngeren Publikum, also der Kindergeneration der Eltern, die den zweiten Weltkrieg selbst als Kinder oder Jugendliche noch mit erlebt hatten, zugänglich gemacht. Endlich konnte man die auf Dauer doch anstrengende Rock und Protestphase hinter sich lassen und in dieselbe Ausschaltung des Hirns einsteigen wie es die Eltern vorgelebt hatten.
Ich bin davon überzeugt, dass Menschen, die durch Musik zu einfachen Wahrnehmungsmustern konditioniert werden, tatsächlich auch in diesen einfachen Mustern stecken bleiben. Kurzum: Blöde Musik verblödet. Ich meine es aber keineswegs so platt, dass klassische Musik bilde und Schlagermusik verblöde. Auch in der Klassik gibt es eine Menge sich wiederholender Strukturen, die wahrnehmungseinschränkend wirken können. Die Schlichtheit der Musik und die Schlichtheit der Gemüter hängen nur zum Teil von der Gattung ab. Die Zusammenhänge sind komplizierter und detaillierter. Was man aber sicher sagen kann, ist, dass es diese Zusammenhänge gibt.

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Wie gehst Du mit Trennungsschmerz um, welche Strategien wendest Du an? Sei es nur eine räumliche Trennung,eine Trennung auf Zeit oder für immer. Interessiert mich einfach. Liebe Grüße

Wie mit jedem Schmerz auch. Es ist ein Versuch des Umgehens, der dann erst halbwegs erfolgreich wird, wenn der Schmerz länger anhält. Im Wesentlichen aber muss ich sagen, dass es eher mit mir passierte, als dass ich damit umgegangen wäre. Ich versuche, Ruhe zu bewahren, meine Sinne rein und klar zu erhalten, was bei Schmerzen ja eine schier paradoxe Aufgabe ist, und tatsächlich Strategien zu entwickeln. Ablenkung kann dazu gehören; Treffen mit anderen Menschen, Vermeidung von Alleinsein und leider, leider auch die traurige Erfahrung, dass Schreiben in der Einsamkeit, was ich für mein Leben gern mache, nicht funktioniert bei Trennungsschmerz.
Ich bin auf mich zurück geworfen und je stiller und konzentrierter es ist, was ja für das Schreiben sehr wichtig und fruchtbar sein kann, desto deutlicher tritt der Schmerz in Erscheinung. Da ist selbst ein sinnloser Bummel durch die Stadt, durch Einkaufspassagen, Parkanlagen besser als das ruhige Sitzen am Schreibtisch und Computer.
Andererseits ist der Trennungsschmerz eine sehr wesentliche Erfahrung für mich gewesen. Ihn mehrmals überstanden zu haben, zeigte mir zugleich, dass überstehbar ist, was einen zunächst zu erwürgen scheint. Der Knoten im Hals löst sich irgendwann auf, die Schwere des Herzens nimmt ab, Trauer gerät in Vergessenheit. Erzwingen lässt sich dies aber nicht. Wie jeder Krankheitsverlauf, braucht auch der Trennungsschmerz seine Zeit, um zu vergehen.
Mir sind endgültige Trennungen lieber als solche auf Zeit und Raum, weil sich der Schmerz weitaus befriedigender löst, als durch die Wiedersehensfreude, die immer auch einen leichten Beigeschmack von Überfrachtung durch Erwartungen hat. Es tauchen Fragen auf wie: Hast du mich ebenso sehr vermisst, wie ich dich? Und man muss dann feststellen, dass dem nicht so ist, was nicht daran liegt, dass der andere einen weniger lieb hat, sondern es immer leichter ist, weg zu gehen, als zu Hause auf den anderen zu warten. Es gab eine Zeit, da fiel mir selbst eine zweitägige Dienstreise schwer.

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Liked by: Harry Clit

Gibts eine Kokette P@pi Runde? Da würde mich gerade deine öffentliche Bloßstellung natürlich auch interessieren mein gUrilein.

HeuteBinIch14’s Profile PhotoGundel Gaukel ey
Meine süße Gundeline, du denkst dir schelmische Wörter und Schreibweisen aus, die mich sehr amüsieren «P@pi Runde» könntest du dir doch schon mal patentieren lassen; du musst Patentgebühren zahlen und kannst damit sicher kein Geld einspielen. Wäre es nicht wunderbar ruinös? Und dann auch noch «gUrilein». Darüber musste ich sehr lachen. Aber du weißt, dass mir diese Rolle, die du mir immer mal wieder zuzuschreiben versuchst, so gar nicht gefällt. Aber einen ambivalenten Reiz hat das schon.
Also male ich mir doch einen sehr eigenwilligen Ashram aus; den Begriff «Schule» will ich unbedingt meiden. Ich habe auch deine Frage zu diesem Thema natürlich registriert und will beizeiten darauf eingehen, während vor mir der Fragenberg wächst. Unser Ashram müsste unbedingt von Freiheit und Liebe durchdrungen sein - von mir aus auch von großer Erotik, platonischer Liebe, Sex, Sapiosexualiutät, Humor, Satire, Verständnis, Empathie, Ironie, vom freien Spiel des Geistes und in diesem Sinne absolut witzig. Und alle könnten dort ihre Eigenartigkeit ausleben und erst einmal an sich entdecken. Distanz und Nähe wären keine Widersprüche - das Ganze könnte ein epikureischer Garten werden. Es ginge mir nicht um konkrete inhaltliche Lehren und Handlungsanweisungen, der Stil wäre der Geist, der Witz die Umgangsform: ich würde leben und leben lassen, was man nicht passivisch als «in Ruhe lassen» verstehen sollte, sondern auch wirklich aktiv «leben lassen», wenn es einigen schwer fällt, das Leben zu ergreifen.
Aber die Begriffe, die wir mitbringen «Lehre», «Schule», «Guru» - sie alle lassen schnell versteinern, was unbedingt der Lockerheit bedürfte und negieren im Grunde in der Konkretisierung durch Verdinglichung die wunderbare Idee der Freiheit.
Wieso «öffentliche Bloßstellung»? Das riecht nach Pranger. Das ist bestimmt nicht meine Philosophie. Aber deine Formulierung könnte man doppeldeutig verstehen: willst du durch mich öffentlich bloß gestellt werden? Oder mich öffentlich bloß stellen?
Ein Freund ging in die Annalen unseres Bekannten- und Anekdotenkreises durch den Spruch ein: «wir sprechen die ganze Zeit von mir. Nun lasst uns auch mal von euch reden: Wie findet ihr mich?» Also schreib mir getreu diesem Motto: wie du mich findest. Über dich kann ich erst mal sicher sagen, dass mein Ashram ohne dich wie eine Suppe ohne Wasser wäre.

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SOKRATES - der kafkASKe Fortsetzungsroman: Bleiben wir in der 16. Folge ruhig noch ein bißchen bei Uri Nachtigall, diesem komischen Vogel mit der gebrochenen Nase. Hält er sich etwa für Sokrates? Dann ist er auf jeden Fall bei @DoctorParranoia richtig. Willkommen im Irrenhaus :)

Klugdiarrhoe’s Profile PhotoUri Bülbül
Er verlangsamte nach etwa tausend Metern bereits wieder seine Fahrt. Seine Augen tränten und erschwerten ihm die Sicht, die ohnehin schon durch seine leichte Kurzsichtigkeit in Kombination mit Müdigkeit oder anderen Störfaktoren beeinträchtigt war. Aber er musste noch weitere 1500 m vor sich hin schleichen, bis er endlich den kleinen Weg auf der linken Seite erblickte. Ihm war, als würde er verfolgt. Aber im Rückspiegel war niemand zu sehen. Der Mercedes bog in den ungeteerten Waldweg ein; unter den Reifen knirschten die Kiesel. Der Wald war tief finster, und der Wer zog sich hin. Er schaltete die Scheinwerfer ein und kam sich dennoch verloren vor. Etwa wie Hänsel nur ohne Gretel. Er fühlte sich einsam, versuchte aber darüber zu lachen, indem er sich sagte: «Brauchst du ein Schwesterchen zum Händchenhalten?» Apropos Händchenhalten – Ayleen hatte ihn hier her geschickt. Sie hätte ihn besser zu Doctor Parranioa begleiten sollen anstatt in die dämliche Ambulanz. Aber seit sie geheiratet hatte, war mit ihr nicht mehr viel anzufangen. Kurz erschrak er und wurde aus seinen Gedanken gerissen, weil er einen Schatten über den Weg huschen gesehen zu haben glaubte. Vielleicht ein Tier? Erst wurde er etwas langsamer. Aber dann beschleunigte er lieber. Wollte denn der Weg gar kein Ende nehmen? So richtig schnell konnte man hier nicht fahren, und er wollte bestimmt nicht noch einmal im Graben stecken bleiben. Der Weg stieg kaum merklich an und wurde kurviger. Im Rückspiegel wie vor ihm Wald und Abenddämmerung. Er musste wieder drosseln. Eine starke Rechtskurve und dann eine lange Gerade und vor ihm spärlich beleuchtet ein Gebäude von imposanten Ausmaßen, ein Herrensitz, eine Villa ohne Schnörkel hinter einer Gartenmauer ein umgrenztes Gelände und vor ihm ein offenes Tor mit zwei Sphinxen links und rechts. Ohne zu zögern fuhr er durch das Tor und ließ sich den Gedanken durch den Kopf schießen, dass die Sphinxe wohl beim Verlassen des Gartens dem Besucher in den Rücken sozusagen mit der entscheidenden Frage fielen; ihm ein Rätsel stellten, wenn er längst nicht mehr damit rechnete und glaubte, mit heiler Haut davon kommen zu können. Aber was soll's? Es war für ihn zu spät.
Er war nun im Garten und rechts neben der Villa etwa fünfzig Schritte entfernt sah er ein Gesindehaus, das romantisch und freundlich aus seinen Fenstern leuchtete. Links führte der Weg in einer großzügigen Kurve vor den Haupteingang der Villa und rechts deutlich schmaler bemessen vor das kleine Nebenhaus, wovor der Kleinwagen der unheimlichen Begegnung von vor wenigen Minuten parkte. «Oh meine Güte, ich werde ihr hier wieder begegnen. Das kann ja heiter werden!» sprach er laut zu sich selbst, um durch eine menschliche Stimme, und sei es seine eigene, sich zu beruhigen. Aber der Klang den er zu hören bekam, war alles andere als beruhigend. Er stellte den Ganghebel seines Automatikgetriebes auf «P» und den Motor ab.

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Ist man in deinen Augen zur Liebe (oder sonstigem Zustand der Demut/Ehre/Wertschätzung) den Eltern gegenüber verpflichtet?

RyoMcCauley’s Profile PhotoTyler Durden
Nein, auf gar keinen Fall zu Demut in besonderem Maße und ebenso wenig zur Ehre. Ich meine, die Eltern sollten im Bewusstsein eine Rolle spielen wie alle anderen Menschen auch. Es ist schlimm und schwer genug, dass sie psychisch ein Gewicht haben, das man kaum beschreiben kann, aber durch viele psychologische und psychoanalytische Ansätze versucht hat.
Man muss diese psychische Verbundenheit, ja man kann vielleicht sogar von Abhängigkeit sprechen, nicht auch noch kulturell und ideologisch aufladen. Mir sind Kulturen, die auf Elternverehrung aufbauen, zuwider. Ob sie nun indisch, japanisch, chinesisch, türkisch, katholisch, jüdisch oder sonst was sind. Es passt überhaupt nicht zu meiner Freiheitsliebe.
Wo Eltern bedingungslos Liebe und Geborgenheit bieten können, ohne ein besonderes Wohlverhalten von ihren Kindern zu erwarten, leisten sie Großes. Zu dieser Größe aber sind viele Menschen nicht fähig und erst nicht dazu, die Kinder, wenn sie flügge werden, gehen zu lassen. Diese psycho-kulturelle Fliegenfalle mit Demut/Ehre/Wertschätzung bricht dem Menschen und damit auch der Gesellschaft letztlich das Genick und es kommt nur autoritäre Aggression dabei heraus.
Nein, der Mensch ist dem Menschen in der Liebe «verpflichtet», wenn er es denn als Zuneigung empfinden kann. Ansonsten gibt es keine Verträge, Verpflichtungen oder all diesen ganzen Mist, der kulturell verbrämt, traditionell und sonstwie kaschiert daher kommt.
Mir ist alles andere, um es mal mit Hamlet zu sagen, ekel, schal und flach. Woran ist dieser eigentlich noch einmal gescheitert???

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Da man sowieso keine Stimme hat, ist es doch egal, ob man sie abgibt?

point_man’s Profile PhotoName_Datum_Unterschrift
Das ist mir zu rigoros gedacht. Ich will das Kind nicht mit dem Bade ausschütten oder mir die Hand abhacken, nur weil ich die Schmierölflecken nicht sofort weg bekomme. Klar hat jeder Mensch eine Stimme - mindestens so wie auch der Flügelschlag eines Schmetterlings Luftmoleküle bewegen kann. Und laut Chaostheorie kann sich daraus am Ende der Welt ein Orkan entwickeln. Das gefällt mir, weil ich auch ein Chaot bin, wenngleich ein relativ ordnungsliebender.
Hier aus ask zu schreiben oder auch auf facebook ist auch eine Stimme. Diese möchte ich nicht abgeben.

Doch was tat ich, statt wählen zu gehen?

Klugdiarrhoe’s Profile PhotoUri Bülbül
Ich widmete mich ganz dem Sonnenschein und dem Garten; es hätte auch ein Ausflug an einen Baggersee sein können oder in den Stadtpark, ein Gang auf dem heißen Asphalt - jeder, wie er es mag. Nur ein Gang zur Urne wäre nicht in Frage gekommen. In der Nacht schrieb ich dies:
Die Geisterstunde ist vorbei. In der Ferne rauscht wie immer die A 40. Ansonsten ist der Garten in Stille gehüllt; lautlos huschte die Katze, die sich hier herumtreibt und zu Hause fühlt, über den Rasen, blieb kurz vor mir stehen, weil wir alte Bekannte sind, auch wenn wir uns nicht trauen. Dann setzte sie ihren Weg fort ungeachtet meiner aufflackernden Sehnsucht, sie zu streicheln. Am Nachmittag fiel mir dies ein - könnte ein Anflug von Lyrik sein; so etwas hält bei mir nicht lange. Bin mehr der prosaische Typ.
Gedanken verloren
Ich verlor
einen Gedanken
an dich.
Ein verlorener Gedanke.
Es ist schön, vor der Laube zu sitzen und die Restwärme der Glut zu genießen.
Und am heutigen Vormittag des ersten Tages nach der Europawahl das:
Meine Antwort-Nr. 628: http://ask.fm/Klugdiarrhoe/answer/113924192953 Man wird mir höchstwahrscheinlich ein unpolitisches Verhalten vorwerfen. Aber mein FB-Eintrag von gestern und meine Antwort heute nach der Wahl und nicht etwa vor der Wahl ein Aufruf, nicht wählen zu gehen, sind Produkte eines politischen Bewusstseins.
Und noch eins möchte ich unbedingt los werden: Es gibt in William Shakespeares Hamlet die Totengräberszene, in der sich Hamlet über einen Totengräber mokiert: HAMLET
Hat dieser Kerl kein Gefühl von seinem Geschäft? Er gräbt ein Grab und singt dazu.
HORATIO
Die Gewohnheit hat es ihm zu einer leichten Sache gemacht.
HAMLET
So pflegt es zu sein; je weniger eine Hand verrichtet, desto zarter ist ihr Gefühl.
Im politischen Alltagsgeschäft völlig aufgegangen, im Kampf um Posten und strukturelle und soziale Hierarchien verfangen, im strategischen Denken kreisend befindet sich die Politik heute in den Mühlen des Bürokratismus und dessen Rationalismus (Denken ohne Wahrnehmung und Sensibilität). Die Parteien kämpfen, als hätte jede für sich ganz allein den Stein der Weisen zur Lösung aller Probleme gefunden. Wo die Demokratie dem Menschen und der menschlichen Gemeinschaft, der Polis, dienen sollte, hat sie sich von der Hinwendung zum Menschen längst verabschiedet und ist nur noch um dessen Unterordnung unter ein Regelwerk bemüht, dabei häufig auch bereit, den Menschen zu opfern, ob als Soldaten oder in der Zivilgesellschaft. Nehmt die Altenpflege, das Gesundheitswesen oder eure Schulen. Kalt durchinstitutionalisiert und maschinell. So haltet ihr es auch mit der frühkindlichen Sozialisation: der Apparat kann es besser, deshalb alle Kinder so früh wie möglich weg von Eltern und persönlichen Erziehungsfiguren, damit diese sich in Erwerbsmaschinen verdingen können.
Schaut euch um, ganz ohne Urteil, sofern euch die Gewohnheit nicht alles zur leichten Sache gemacht hat, werdet ihr das kalte Eisen der Politik spüren.

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Doch was tat ich statt wählen zu gehen

TF Was sind deine Gedanken zur Europawahl, warst du wählen? Wie wichtig ist diese Wahl? Gab es eine Wahl?

DerApfeltyp’s Profile PhotoRuu
Ich wollte es gerade auf Facebook schreiben. Aber vielleicht beantwortet es auch deine Frage:
Die Welt zu verschönern und zu verbessern eifert ihr, doch in eurem Eifer seid ihr hässlich und widerlich, kalt und verbohrt, unsensibel und verstockt.
Nein, ich bin nicht wählen gegangen. Das Wetter war viel zu schön, der Tag so entspannt und die Wahl so sinnlos.

Was ist das Besondere an diesen alten Zeitungen? Ist etwas langweiliger als die Zeitung von gestern?

Klugdiarrhoe’s Profile PhotoUri Bülbül
Wenn man die Tageszeitungen nimmt, dann ist sogar nichts langweiliger als die Zeitung von heute. So viel Konzern orientierte Gleichschaltung, langweilige sich gleichende Artikel aufgrund von starken Rationalisierungsmaßnahmen in Redaktionen; Verlagskonzentration hat sehr wohl der Meinungsvielfalt geschadet. Auch haben sich viele Bedingungen für das Zeitungmachen verändert. Die große Revolution fing ja damit an, dass in den 80er Jahren elektronische Medien sprich Computer in Redaktionen Einzug hielten und in der Druckbranche alles auf den Kopf stellten.
Es war zunächst nicht einmal das Internet, sondern einfach die Tatsache, dass Bleisatz und Lithographie verdrängt wurden. Ich selbst gehöre aber nicht zu den Leidtragenden dieses Branchenwandels, sondern eher zu den Nutznießern. Es hat schier etwas Symbolisches, dass ich heute im Girardet Haus in Essen arbeite, in dem sich einst ein gigantisches Druck- und Verlagshaus befand. Aber den Strukturwandel in der Branche überlebte das Haus nicht in seiner alten Form, sondern nur durch einen radikalen Wandel in der Nutzung: es wurde ein Multifunktionshaus mit einem Hotel, mit Büros, Läden, Cafés, Kneipen und eben einem wunderschönen, sehr liebevoll entworfenen Theater, das heute seit zehn Jahren das Katakomben-Theater ist, als dessen Sprecher und Hausphilosoph ich fungiere.
Aber viel näher an der direkten Hardware hat mir die Computerisierung der Druckbranche nicht geschadet: Meine erste herausgeberischen Aktivitäten hatte ich mit 15 Jahren in der Schule, als meine Freunde und ich die Redaktion von der älteren Schülergeneration übernahmen, die sich anschickte, Abitur zu machen. Für mich war das biographisch und beruflich gesehen eine entscheidende Zeit. Ich hatte beschlossen, mich der Schriftstellerei hinzugeben, und nichts lag daher näher, als in die Redaktion der Schülerzeitung zu gehen und dort mit den ersten Artikeln und Geschichten zu beginnen. Zur gleichen Zeit abonnierte ich auch den SPIEGEL und konnte die ersten Artikel über die Revolutionierung in der Halbleitertechnologie lesen. Die Computer konnten deutlich kleiner und schneller werden, immer mehr Aufgaben übernehmen und noch vor Mac und Windows, würde ich mal schätzen, war schon die Angst vor der Künstlichen Intelligenz im Umlauf. Aber wahrscheinlich gab es die auf der SF-Ebene schon längst zur Unterhaltung; nun aber bekam das Ganze eine technologisch realistische Grundlage.
Davon unberührt schrieben wir unsere Artikel auf einer mechanischen Schreibmaschine, Freunde von mir fertigten Zeichnungen an; dann wurde alles auf dem richtigen Format zusammen geklebt und als Klebelayout zum Druck als Vorlage fertig gestellt. Auf einem Kopierer wurden die Vorlagen auf Matritze kopiert und diese Matritze war der Film für den Offsetdruck, dessen Maschine ein Lehrer freiwillig zur Unterstützung unserer Aktivitäten bediente, ohne sich je über die Inhalte zu äußern.

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Was ist das Besondere an diesen alten Zeitungen? Ist etwas langweiliger als die Zeitung von gestern? Teil 2...

Klugdiarrhoe’s Profile PhotoUri Bülbül
Die Technik des Klebelayouts blieb gleich, die Matritze wurde durch eine fotomechanische Reproduktion auf Offsetfilm ersetzt, womit man die Aludruckplatte herstellte und in die Druckmaschine einspannte. Ich war also schon erwachsen geworden und in die nächste Produktionsphase technologisch gesprungen. Die Reproduktion von Fotos war dadurch viel besser; man erkannte sie wenigstens als Fotos und debattierte über das zu wählende Raster im Verhältnis zu dem benutzten Papier, damit nicht alles «zusuppte», wie wir es fachmännisch nannten.
Durch eine elektronische Schreibmaschine konnten wir nun sogar Blocksatz erstellen, was manchmal große Lücken in der Zeile aufwies, wenn in der vorangehenden Zeile lange Wörter kamen. Aber das war schon ein Maximum an Druckästhetik und immer war ich auch stolz auf die Erzeugnisse, nicht nur in der Technik der Produktion, sondern auch in der Redaktion.
Das letzte Produkt dieser Technologie war das NACHSPIEL. Und bezeichnender Weise wurde das Layout von einem Freund entworfen, der auch das Logo des NACHSPIELs produzierte, der eben ein «Opfer» des Strukturwandels in der Druckbranche wurde: er, etwa zehn Jahre älter als ich, hatte Druckvorlagenhersteller im Girardet Haus gelernt. Aber mit dem Wandel in der Branche wurde er arbeitslos und einige Jahre später, saßen er und ich gemeinsam am Computer und arbeiteten uns in Bildbearbeitungs- und Layoutprogramme (Photoshop, Freehand, PageMager, QuarkXPress) ein.
Das NACHSPIEL hat aber das Besondere des Klebelayouts. Wichtiger aber sind natürlich die Inhalte:
Die Oberhausener Kurzfilmtage beispielsweise waren seinerzeit in der Filmemacherszene der Bundesrepublik (Stichwort «Autorenfilm») mit dem «Oberhausener Manifest» eine Innovation. Und wir sprachen mit der Mitbegründerin dieser Filmtage Eva M. J. Schmid. Sie gehörte zu den ersten Filmwissenschaftlerinnen dieser Republik überhaupt und kam aus der Kunstgeschichte. Am liebsten wäre sie Filmregisseurin geworden, erzählte sie uns, aber im Film der damaligen Zeit ihrer Jugend konnte man entweder als Schauspielerin oder gar keine Karriere machen. Also studierte sie Kunstgeschichte und interessierte sich immer für den Film. So manch ein Filmprofessor von heute hat ihre Schule des Filmsehens kennen gelernt.
Friedrich Kittler, seiner Zeit frisch an die Ruhr-Universität Bochum berufen und als eine Koryphäe nur den interessierten Studenten bekannt, übergab uns seinen Artikel über die Rolle des Scheinwerfers im Krieg. Mittlerweile ist Friedrich Kittler einige Jahre tot und zuvor als Koryphäe weltberühmt geworden. Er ist DER Medienwissenschaftler schlechthin und verdient als solcher unsere Erinnerung an ihn und meine Verehrung.
Auch Lorenz Engell ist zweifelsohne eine Koryphäe dieses Faches, deutlich jünger als Friedrich Kittler und erst recht als Eva M.J.Schmid gab uns die Ehre eines Interviews mit ihm und hielt eine Vorlesung über den ersten Golfkrieg der Amerikaner gegen Irak. Lässt sich daraus auf Ebay kein Kapital schlagen?

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was ist besser: handeln aus gerechtigkeit oder aus liebe?

sopzock’s Profile PhotoSam
Natürlich aus Liebe. Ich halte es mit dem Paulusbrief
«Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönend Erz oder eine klingende Schelle. Und wenn ich weissagen könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, also dass ich Berge versetzte, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich nichts.»
Das finde ich eine gigantisch-tolle Passage. Der Text schwächelt allerdings danach in dem Versuch, Liebe zu bestimmen:
«Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie blähet sich nicht, sie stellet sich nicht ungebärdig, sie suchet nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, sie freut sich nicht der Ungerechtigkeit, sie freut sich aber der Wahrheit;
verträgt alles, sie glaubet alles, sie hoffet alles, sie duldet alles.»
Wie schade, dass ein so groß angelegter Liebesentwurf in so kleinmütiger Definition moraliensauer wird und alles verdirbt :(
Paulus hätte schreiben müssen: Und schriebe ich über Liebe und hätte der Liebe, wäre ich Christus und so habe ich der Liebe nicht und bin Paulus. Der große Entwurf aber nimmt keinen Schaden daran, denn ohne Liebe ist Gerechtigkeit nichts.
Und nun etwas ganz Privates, was aber auch mal raus muss - Ich hoffe, dass dabei nun das Allgemeine im Individuellen eine Rolle spielt: Eine Liebe zerbrach in meinem Leben, weil sich meine Partnerin an den zweiten Teil des Briefes hielt wie eine Fliege am Bändchen klebt; und dabei fing alles so romantisch und mit einem schieren Wunder an: Ich sagte ihr an unserem ersten Abend: «Es gibt da eine Bibelstelle, die ich liebe...» Und sie ließ mich gar nicht ausreden: «1. Korinther Kapitel 13.» Und noch bevor ich reagieren konnte rezitierte sie die Stelle auswendig. Und ich begriff nicht, dass sie vom zweiten Teil des Textes mehr fasziniert war als vom ersten. Und es endete, wie es enden musste. Die Langmütigkeit, wurde auf die Probe gestellt; die Geduld, das Nichteifern, Nichtfordern, Nicht..., Nicht..., Nicht...
Vor allem aber ist die Liebe ohne die Liebe nichts!

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