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Uri Bülbül

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Zwecks Konsumismus da müssen sich erstmal die Menschen ändern. Viel Spaß damit 🤷

Wie du schon sagst: «da müssen SICH erstmal die Menschen ändern». Nicht: ich muss die Menschen ändern! Kulturell und politisch können wir den Versuch unternehmen, auf die Verhältnisse einzuwirken und diese zu ändern. Menschen ändern sich ohnehin und sind im Wandel und in Prozessen. Der Mensch ist keine unwandelbare, ewig konstante Größe! Diejenigen, die sich nicht bewegen und ändern wollen, schieben dieses Argument der Unwandelbarkeit des Menschen - so wie du ja mit deinem «Viel Spaß damit» - einfach nur als Schutzschild vor sich her! Ist einfach nur ein Mangel an Denken, man kann auch sagen: Gedankenlosigkeit! Der Konsumismus war auch nicht immer: Warenfetischismus und Konsumismus haben sich in der späteren Phase des Kapitalismus entwickelt. In Deutschland erst nach 1949 - vor allem in den «Wirtschaftswunderjahren» der 50er, um auch mit dem American Way of Life, im Systemwettbewerb mit dem Ostblock gut da zu stehen. Schon mit der ersten Ölkrise in den frühen 1970ern und dem Sonntagsfahrverbot für Autos, um Benzin zu sparen, wurden zwar Kratzer im Modell Wohlstand sichtbar, aber man hat sie immer wieder ausbeulen und übermalen können. Das hat herzlich wenig damit zu tun, dass Menschen angeblich unwandelbar sind, sondern vielmehr mit der immer wieder modernisierten und reformierten Systemerhaltung des Kapitalismus. Er hat sich als dynamischer und flexibler erwiesen als das Modell des Ostblocks, was aus lauter Missverständnissen und Fehlinterpretationen des Marxismus-Leninismus aufgebaut war und im Laufe der Jahre immer schlimmer wurde, auch wenn Nikita Chruschtschow, angeblich den Stalinismus reformieren wollte. Man kann viel über die Geschichte nachdenken und sich in einen Historismus versteigen, worauf es aber wirklich ankommt, ist, dass man nach vorne schaut. An der Notwendigkeit eines ökologisch und humanistisch gerechten Systemveränderung hat sich nichts geändert. Vielleicht schaffst du es ja auch mal, mit etwas mehr konstruktiver Energie an die Problematik heranzugehen, als anderen viel Spaß damit zu wünschen. Damit wäre allen mehr geholfen - auch dir selbst ^^
Der Gedanke, Hedonismus von Konsumismus zu unterscheiden, hat einen Wert, vor dem du deine Augen nicht verschließen solltest. Schönes, gutes Leben, Genuss sind nicht identisch mit Konsumismus. Der Konsumismus ist ein Täuschungsmanöver mit falschem Glücksversprechen: Trägst du dieses Rasierwasser auf, fliegen alle Frauen auf dich; dieses Deo erhöht deine sexuelle Attraktivität, benutzt du dieses Zahnpasta, wirst du immer fröhlich strahlend lächeln können; fährst du dieses Auto, spürst du die Freiheit... usw. usf. Wer an diesen Quatsch glaubt, hat sicher weniger Spaß am Leben ;) Genau das aber ist Konsumismus!

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In welchem Punkt gleichst du deiner Mutter?

In den Eigenschaften des leidenschaftlichen Engagements, der Furchtlosigkeit vor Behörden und hohen Beamten und Politikern und in der Leidenschaftlichkeit: in der Neigung zur Hysterie! Meine Mutter konnte auf 180 sein, noch bevor irgendjemand die geringste Chance hatte, zu bemerken, was ihr sauer aufstieß. Wenn sie es später nach Toben, Schreien und Streit erklärte, worum es ihr ging, war das zwar meist nachvollziehbar, aber auch viel Porzellan zerschlagen - ganz unnötiger Weise! Daraus hat sich mein Hang zur leidenschaftlichen Polemik entwickelt. In den letzten Jahren aber, insbesondere durch meinen Freund Diego Li, sehe ich, dass die Kraft in der Ruhe liegt und Gelassenheit und ruhige Beharrlichkeit hilfreicher sind, das durchzusetzen, was man für richtig hält. Wenn man nicht hysterisch wird, findet man eher Unterstützer. So erfolgreich meine Mutter im Berufsleben auch war, so einsam war sie auch. Selbst ihr Lieblingssohn, der da meine Wenigkeit war, hatte sich von ihr abgewandt. Sie starb einsam und erst im reifen Alter vor meinem Lebensabend verstehe ich das Wesen meiner Mutter besser.
Irgendwo schwirrt auch die Frage umher, ob mir gesellschaftliche Anerkennung wichtig sei. Gesellschaftliche Anerkennung beruht auf Konventionen und konventionellen Leistungsbemessungen: Geld, beruflicher Erfolg in hierarchischen Strukturen, Verbeamtung und Beamtenlaufbahn u.ä. Meiner Mutter bedeuteten diese Dinge viel - mir gar nichts! Ich wollte und will keinen konventionellen Erfolg nach fremden Maßstäben einer entfremdeten kapitalistischen Gesellschaft, ich suche den substantiellen Erfolg nach den Maßstäben, die dem Leben immanent sind. So ist für mich Anerkennung auch wichtig von Individuen, hier die netten Worte einiger ask-Freunde, oder Anerkennung durch Menschen, die mich persönlich kennen und das eine oder andere, was ich mache, denke, sage oder schreibe, gut finden. Diese Anerkennung freut mich sehr und ist mir substantiell. Meiner Mutter hätte das nicht genügt; sie wollte, dass ich mit Titeln und Hierarchien punkte: ein Doktor der Medizin bin, ein Richter im hohen Amt oder zur Not Professor der Philosophie, praktischer wäre es, wenn ich Diplomingenieur geworden wäre. Ich habe aber im Laufe meines langen Studiums bemerkt, dass die Diplome, Prüfungen und Auszeichnungen kein Garant für Substanz sind. Mit anarchischem Instinkt widersetzte ich mich Unterwerfungs- und Disziplinierungsversuchen, die durch Prüfungen erzeugt werden. Rituale gesellschaftlicher Kastration sind diese! Um diesen Preis gibt es gesellschaftliche Anerkennung, was meiner Mutter wichtig war, mir aber der Preis zu hoch, denn letztlich wollte sie rebellisch, engagiert und hysterisch sich auch nirgends ducken und ging aufrechten Hauptes durchs Leben, was mich auch mit Stolz erfüllte. Meine Mutter hatte Persönlichkeit, war aber auch eine sehr widersprüchliche Person in ihren Wertvorstellungen. Ihr Lieblingssohn wurde zu ihrem Schrecken ein anarchistischer Kommunist.

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Die deutsche Umwelthilfe hat vorgeschlagen dieses Jahr auf die Weihnachtsbeleuchtung zu verzichten,wie denkst Du darüber?

Diese Umwelthilfe greift eindeutig zu kurz. Die Tradition der Beleuchtungen und der Sinn des Weihnachtsfestes reichen weit vor das Christentum und vor die Christianisierung der Germanenvölker zurück! Die dunkelste Zeit ist die ab November, die Tage kurz, das Wetter kalt, regnerisch und ungemütlich. Das Wetter drückt auf die Stimmung, die Seele ist von der dunklen Zeit nicht unbetroffen. Die Lichter an den Weihnachtsbäumen, der Schmuck, diese Dinge sollen über die dunkle Jahreszeit hinweg die Seele erfreuen und die Vorfreude zur anstehenden Sonnenwende im Winter ausdrücken. Die Umwelthilfe ist keine Seelenhilfe, wenn sie das nicht berücksichtigt.
Der wahre Kern des Vorschlages liegt im Protest und Widerspruch gegen den Konsumismus begründet, der in der Vorweihnachtszeit die Menschen in den reichen westlichen Gesellschaften ergreift und exzessiv ihr Handeln bestimmt. Handeln im ökonomischen Sinne als Kaufrausch! Das ist Konsumismus und dazu gehören die falschen, eitlen Glücksversprechen der bunten Schaufenster und der Werbung allenthalben, was auch symbolisiert wird durch die vielen Beleuchtungen in den Straßen und Konsumtempeln. Der Konsumismus gehört der Umwelt und dem Menschen zuliebe eingeschränkt, ja eigentlich abgeschafft. Denn er setzt die Achtung vor den Dingen, die einem Wohlbefinden und Genuss bescheren herab zu einem Tauschwert: Geld gegen Ware, die keinen Genuss mehr mit sich bringt, sondern nur besessen werden muss und sofort in der Ecke landet als Staubfänger.
Wenn man im Zusammenhang mit dem Vorschlag der Umwelthilfe weiterdenkt und den Konsumismus nicht nur in der dunklen Zeit kritisiert, dann hat der Vorschlag einen gewissen Sinn. Wir vergeuden Energie, Material und materielle Ressourcen für den Kaufrausch - das muss gestoppt werden, aber nicht für Askese und Verzicht, sondern für die Wiederentdeckung des wahren Genusses anstelle des Warenfetischismus! Der Konsumismus ist das verlogene Glücksversprechen der Matrix, des Kapitalismus. Wahrer Hedonismus geht anders, geht über Achtsamkeit und bedachten Genuss.

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Was ist psychisch belastender: eine ungewollte Schwangerschaft oder der Schwangerschaftsabbruch?

Das ist eine Frage, die sich allgemein nicht beantworten lässt. Sie muss immer wieder individuell und ganz genau auf die momentane Lebenssituation abgestimmt gestellt und beantwortet werden. Denn nicht nur Menschen sind individuell und einmalig, sondern auch Situationen, auch wenn sie sich ähneln. So ist das Individuelle mensch- und situationsbezogen zu verstehen. Auch eine psychische Belastbarkeit und Belastung ist Empfindungssache und individuell. Auch sie lässt sich nicht verallgemeinern.
Sich vor Verallgemeinerungen zu hüten und Individuelles im Auge zu behalten, ist eine große geistig-seelische Qualität, die Menschen nicht häufig aufzubringen vermögen.
Das wiederum scheint mir zeitbedingt zu sein im Sinne einer Mode, einer gegenwärtigen historisch-kulturellen Situation.

Was ist dir am wichtigsten in einer Partnerschaft?

Celina2000000’s Profile PhotoCelina
Eine Partnerschaft müsste eine Partnerschaft im wahrsten Sinne des Wortes sein: gemeinsame Ziele, ein kooperativ zu führendes Lebensunternehmen mit unterschiedlichen sich ergänzenden Talenten und Fähigkeiten, Kompensationsmöglichkeiten der Fehler des anderen Teammitglieds. Das wäre eine Partnerschaft.
Alles andere ist eine auf Monogamie und Sexualität ausgerichtete und darauf basierende Beziehung häufig mit Machtfaktor, um über den anderen Kontrolle auszuüben - hat mit Partnerschaft nichts zu tun ^^

Dein Plan für heute 👀☺️

Nicht aufgeben, durchhalten, die Gedanken aus dem gruseligen Nebel der Melancholie führen. Das eingebrochene Herbstwetter kann mir nichts anhaben. Der Regen war ersehnt, und nun ist er da. Und ich im Garten wie den ganzen Sommer.

wie gehts

Es wäre gelogen, wenn ich "gut" sagte! Ich bin gesund, trifft die Sache gut. Aber ich muss auch Dinge verdauen, die so schwer verdaulich sind! Hier ein Screenshot aus meiner Homepage. Vielleicht kann es jemand nachvollziehen in diesen wenig empfindlichen und sehr narzisstischen Zeiten.
wie gehts

Antwortest du auf die Frage: „Wie geht es dir?“ auch automatisch fast immer mit "gut"?

Nein, ich mag solche Automatismen nicht. Ich frage auch nicht automatisch und erwarte gerne eine ehrliche Antwort, an der ich ehrlich interessiert bin.
Wen es nicht interessierst, braucht mich doch nicht zu fragen!

Eine der Verschwörungstheorien um COVID-19 Impfstoffe behauptet, dass die Impfung die Geimpften in einigen Jahren töten wird. Wäre es technisch gesehen überhaupt möglich, einen Impfstoff mit "Zeitzünder" zu entwickeln ?

Ich habe von meinem Nachbarn, der Fernmeldetechnik gelernt hat und als Elektroniker bei der Vermessung von Gasleitungen arbeitet, die auf Dichte und Materialzustand geprüft werden müssen und der zudem sehr zu gewagten Theorien und Aussagen neigt, gehört, dass der Impfstoff Partikel enthält die auf elektromagnetische Wellen einer bestimmten Frequenz reagieren und so klumpen, dass sie zu Thrombosen führen.
Kommen wir zur Interpretation solcher Behauptungen: Das große Problem ist und bleibt die Überprüfbarkeit. Ich habe weder das Know-How noch die Gerätschaften noch die Proben der Impfstoffe, um das empirisch zu prüfen. Da steht etwas im Raum, was nicht richtig ausgeschlossen werden kann. Davon zehren die Verschwörungstheorien. Ich weiß auch nicht, wie in der Phantasie oder Behauptung, diese Moleküle aktiviert werden sollen. Bekommst du einen Anruf auf dein Handy? Kann es diese Frequenz überhaupt empfangen und an deinen Körper weitergeben? Oder wird einfach eine Gegend bestrahlt und wenn du dort dich aufhältst, bekommst du eine Trombose? Massentrombosen wären auf jeden Fall sehr auffällig.
Interessant ist aber eine andere Seite solcher Gerüchte und Behauptungen: es gibt eine Anzahl von Menschen, die den Regierungen staatlich verordneten Massenmord und jedwede Skrupellosigkeit zutrauen. Da steckt für mich das eigentliche Problem. Geheimdienste, unter Verschluss gehaltene Akten über Pläne, Vereinbarungen welcher Art auch immer, militärische Aktivitäten, Spionage usw. usf. Alles Dinge, die das demokratische Bewusstsein aushöhlen. Der «Zeitzünder» ist meiner Meinung nach weniger ein technisches als ein philosophisches und politisches Ding.

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https://ask.fm/druide0815/answers/171821984925 Ihre Antwort erinnert mich an die Fabel mit der Ameise und der Grille - insbesondere natürlich jene Stelle, in der Sie schreiben: «Mein Gebot der Stunde ist RAFFEN !...horden, stapeln, stopfen,...HAMSTERN» - mit unverstelltem Blick, sage ich nur...

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Schauen Sie nur, Meister Otto: «wie schon so oft, befinde ich mich wieder einmal in einer 'schöpferischen Delle', die mir den erhabenen und philosophischen Blick über die Dinge des Lebens,
verwehrt...Nein im Gegenteil. Mein Gebot der Stunde ist RAFFEN !...horden, stapeln, stopfen,...HAMSTERN.»
Ihre Worte sind's! Gute Poesie schöpft aus dem Leben und kommen Sie nach der poetischen Metapher mit den prächtigsten Gartenzwergen auf dem Vertiko mit der «poetischen Delle». Ja, das ist Poesie, wie sie das Leben schreibt und Sie es zum Ausdruck bringen. Und darin eine große Weisheit: «Ich bin momentan gezwungen meine Laune mit allen Mitteln verfügbar und hoch zuhalten. Hilfreich dabei sind fröhliche Freundlichkeiten, die ich anderen antue.» Das ist höchste Philosophie, eine sehr notwendige in diesen Zeiten: «fröhliche Freundlichkeiten». Wir haben es bitter nötig. Werden uns aber nicht verbittern lassen. Aber nun kommen wir doch mal zur Grille und der Ameise - die Rollen sind klar verteilt: Sie sorgen vor für den Winter und ich fiedle so vor mich hin, bezirze die Schönheit der Sonne und des Sommers. Aber ist es nicht so, dass ein jeder so sein sollte, wie er am besten sein kann, ohne in ein konventionelles Korsett gezwängt zu werden? Jeder nach seiner eigenen Art und alles fügt sich schön ergänzend zusammen? Das war auch das Ideal der Klassiker: eines Hölderlin, eines Schiller oder Goethe, Herder oder Humboldt. Ohne die Musik der Grille wäre das Leben ärmer, so wünsche ich mir eine Welt, in der musiziert und gesammelt, Vorräte angelegt und gehortet wird, nach Lust und Laune eines jeden freien Individuums. Dann kann auch gut geteilt und verschenkt werden, wie Sie so schön sagen: «nach der fröhlichen Freundlichkeit, die ich anderen antue». Wenn alle so eine «philosophische Delle» hätten wie Sie und ich, dann wäre das Gute schon sehr nah. Und niemand würde auf Aktienmärkten, Kapitalanlagen, Options- und Devisengeschäften in die Ferne schweifen. Lassen Sie sich nicht verdrießen und machen Sie gesund und munter weiter! Das ist der Zaubertrank des Druiden0815!

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Die deutsche Klassik (Weimarer Klassik) und Hölderlin, Paul Feyerabend und der Hexenhammer... Fortsetzung: Friedrich Hölderlin...

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Und Goethe bleibt ein von sich sehr überzeugter arroganter Allrounder aus reichem Beamtenhause aus dem Hirschgraben in Frankfurt a.M. gefördert vom Herzog Carl August im Hintergrund und mit seinem Gehalt in der Tasche als Minister ohne Ressort und Leiter des Weimarer Theaters! Er fördert nach Gutdünken und nach eigenem Ermessen, den, den er für förderungswürdig hält - so u.a. Friedrich Schiller; ein Hölderlin aus deutlich ärmeren Verhältnissen verpasst die Gelegenheit, Goethes Sympathien für sich zu gewinnen, als er bei der ersten Begegnung im Schillerschen Hause vor lauter Aufregung, dem verehrten Dichtermeister Schiller zu begegnen den anderen Gast, der sich vornehm zurückhält, aber mit Fragen doch den Kontakt zum jungen Mann sucht, keinerlei Aufmerksamkeit schenkt. Hölderlin passt nicht in die Welt der fürstlichen Atmosphäre Weimars und der intellektuellen Metropole Jenas. Er ist mit seiner Wanderliebe und Leidenschaft gegenüber der Welt eher ein Landstreicher und kein Staatsphilosoph wie sein Stubenkollege Hegel und auch kein populärer Philosoph wie Schelling, der eloquent seinen Idealismus in Worte kleiden kann. Hölderlin liebt mit vollem Herzen eine junge höchst etablierte Bankiersfrau aus der Nachbarschaft von Goethes Familiensitz in Frankfurt am Hirschgraben, er liebt sehnsuchtsvoll die Revolution, ohne einen Pragmatismus zu entwickeln für das, was politisch (ab-)geht, er misstraut den Worten der Sprache, ist immer im ständigen Ringen nach der treffenden Formulierung im tiefen Misstrauen, was ihm keinerlei Eloquenz erlaubt. Hölderlin ist auf bestem Wege, sich aus der Nähe des Establishments zu entfernen, viel, viel weiter weg, als seine Mutter es sich für ihren Sohn in ihren schlimmsten Alpträumen vorstellen konnte. Doch den Weg in die Psychiatrie bereitet sie ihm mit ihrer überängstlichen und völlig verständnislosen Sorge selbst. Hölderlin teilt zwar die Griechenbegeisterung der Klassiker, aber er gehört nicht in ihren erlauchten Kreis. Aber wenn ich ganz ehrlich sein soll, muss ich auch sagen, dass er zum Beispiel in seiner Sprachverliebtheit in das Griechische den Kern einer guten Übersetzung verfehlt. Er verbiegt das Deutsche so, dass er nicht den Sinn der Worte optimal wiederzugeben versucht, sondern den Sprachrhythmus des Griechischen. Was Griechisch Melodie ist, wird in Hölderlins Übersetzung zu einem Holzgeklapper und Geplapper. Jeder Griechischschüler hätte sich mit dieser Übersetzung eine Rüge eingehandelt, einige in der Literaturwissenschaft aber sind voll des Lobes für Hölderlins Ödipus-Übersetzung. Auf die Anfangsszene in Sophokles’ “König Oidipus” muss ich später gesondert eingehen. Da kann man viel zwischen den Zeilen über Politik- und Staatsphilosophie finden. Da gibt es ein Rumoren im Volk gegen den König Ödipus, was der König als eine motivierende Herausforderung annimmt, sich um die Probleme der Stadt zu kümmern. Das Thema ist sehr spannend, spannend auch in Bezug auf den «jungen Wilden» Friedrich Hölderlin.

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wollte nur mal ein hallo da lassen 🥰

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Von «da» kann nicht die Rede sein!
Schau nur! Verstehst du es nicht? Du warst nie da! Du warst nie bei mir! Nie war es persönlich, nicht einmal im virtuellen Raum! Ein Shoutout, mehr nicht! Du hast einfach ein «hallo» losgelassen, niemals «da»gelassen! Der Unterschied ist wichtig, selbst die virtuellen Beziehungen werden weiter entpersönlicht!
Hast du denn gar kein Gefühl für dein Treiben? Das Emoji nur ein schlechter Witz! So sieht seelische Verarmung aus!

Über die deutsche Klassik muss ich noch ein paar Worte verlieren, da sich in meiner Antwort an @ShortMan679 Ungenauigkeiten befinden. Ich vertiefe die Dinge gerne: 1. Hölderlin... 2. Paul Feyerabend... 3. der Hexenhammer... ein Staatensystem arrangieren und etablieren ist nicht einfach...

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Fangen wir mit Hölderlin an, dessen Schicksal und Gedanken wie Dichtung ich in Anspielungen immer mal wieder thematisiert habe. Hölderlins Mutter verliert erst ihren ersten Mann, den Vater ihres Sohnes und später auch ihren zweiten Mann, den Stiefvater, der wohl kein schlechtes Verhältnis zu ihren Kindern gehabt haben soll. Sie ist finanziell nicht so gut gestellt, dass sie ein sorgloses Leben führen kann wie etwa Johanna Schopenhauer, die Mutter Arthur Schopehauers, sie lebt zwar nicht in Armut, macht sich aber ernsthafte Gedanken um die Existenz ihres Sohnes. Am besten wäre es aus ihrer Sicht, wenn er die Ausbildung und Laufbahn eines Pfarrers einschlagen würde. So hört man im Hintergrund das Patriarchat raunen, die Sicherheiten, die ein fehlender Vater nicht mehr bieten kann, soll die Kirche als Institution Hand in Hand mit dem Staat auffangen, So kommt Friedrich Hölderlin nach der Klosterschule ins Tübinger Stift, wo der Württembergische Fürst, treue protestantische Pfarrer ausbilden lassen möchte. Friedrich landet mit zwei ambitionierten und guten Schülern Hegel und Schelling in derselben Stube und die drei freunden sich an, geheimbündeln ein wenig und lesen heimlich trotz Verbot den Königsberger Philosophen und als Aufklärer in Mode gekommenen Immanuel Kant. Kants Philosophie soll die moderne neu entstehende Naturwissenschaft mit den Geisteswissenschaften vereinbar machen und quasi die Philosophie auf einen aktuellen Stand bringen; Ansätze dazu gibt es in der Zeit nicht wenige; Kant betreibt ein systematisches aber kein einsames Geschäft. Er ist eine anerkannte Autorität und parzelliert Erkenntnis und Wissen so, dass die Theologie ungestört außen vor bleiben kann, was den Vorteil hat, dass man statt der Inquisition ein Leben und Leben Lassen praktizieren kann, was übrigens auch ein René Descartes in seinen “Meditationen über die Erste Philosophie” mit wenig Erfolg versucht hatte (Erstveröffentlichung: 1641). Kants Schrift “Was ist Aufklärung” erschien 1784. Die Ereignisse in Frankreich ab 1789 beschäftigen und berühren auch die jungen Leute und die intellektuelle und politische Szene, was nicht identisch ist, in Deutschland. Irgendwann kommt Goethe zu einem etwas unglücklichen Satz: Lieber Unrecht als Unordnung. Schiller und Goethe sind ein gutes Jahrzehnt älter als die genannten Philosophen und Dichter in spe im Tübinger Stift und Schiller später ein großes Vorbild für Hölderlin, wenn Hölderlin auch in Stilfragen seine eigenen Wege geht. Schillers Aufsatz “Die Götter Griechenlands” lösen insbesondere bei Friedrich Hölderlin eine Griechenbegeisterung aus, die insgesamt nicht nur auf Hölderlin bezogen von manchen Historikern auch als «Gräkomanie» bezeichnet wird. Es ist ein geistig provinzielles und borniertes Idealisieren der griechischen Antike, ohne je die griechische Mittelmeeratmosphäre direkt gespürt zu haben. Die Weimarer Klassik wird den Ruch der fürstengestützten, bonzigen Arroganz nicht los. (Fortsetzung folgt)

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Der Meister der schönen Worte ist nicht immer der Meister der kurzen Texte... daher muss ich, liebes Hexenhämmerle, @ShortMan679 noch etwas nachtragend ausholen...

Klugdiarrhoe’s Profile PhotoUri Bülbül
Die deutsche Klassik hat “gut” noch in einem anderen Sinne verwendet, nämlich als etwas, was der natürlichen Ordnung der Welt, des Lebens entspricht. In diesem Sinne verwende ich es auch sehr gerne. Die Norm ist keine menschlich, kulturell und konventionell erschaffene, sondern das Schöne der Natur, des Lebens - eine gute Ordnung der Gesellschaft, wovon zum Beispiel Hölderlin spricht, meint eine natürlich gewachsene und dem Leben gemäße Ordnung. Die Klassiker konnten sich einen Parlamentarismus wie den unsrigen noch nicht detailliert vorstellen. Daher sind die politisch-strukturellen Vorstellungen bei ihnen noch etwas diffus. Aber Paul Feyerabend konstatiert z.B., dass die Anarchie die beste Form sei, Wissenschaft und Erkenntnisgewinnung zu strukturieren. «Die Wissenschaft ist wesentlich ein anarchistisches Unternehmen: der theoretische Anarchismus ist menschenfreundlicher und eher geeignet, zum Fortschritt anzuregen, als “Gesetz-und-Ordnungs”-Konzeptionen.» Wir haben eben keine Hierarchie, die nicht opportun strukturiert und Wissensgewinnung und Wissensverwaltung betreibt; Wissenschaft und Forschung unterliegen sehr stark den Gesetzen des Kapitalismus. Hierzu kann man auch Harald Welzer (“Selber denken”) vergleichen; er beschreibt den realen Wissenschaftsbetrieb. Damit aber dieser Betrieb kapitalistisch strukturiert funktionieren kann, ging dem die autoritäre Strukturierung der Universitäten voraus. Das hat als verlängerten Arm gedacht mit einem Hexenhammer zu tun, Ketzerei und Inquisition, denke nur an Galilei oder auch an René Descartes, und später mit säkularisiertem Autoritarismus, der wissenschaftliche Karriere stark an diszipliniertes Verhalten knüpft. Damit schaltet und waltet das, was dem Menschen und der Natur schädlich ist, nenne es “schlechte Folgen” oder “böse Konsequenzen”. Schulstreik für Klimawandel muss auch symbolisch gesehen und in der Tragweite gedacht werden.

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Meister der schönen Worte, definiere für uns bitte die Wörter "gut" und "böse" in möglichst philosophierenden Worten :)

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Es philosophieren nicht die Worte, sondern die Menschen mit Hilfe der Sprache. Womöglich aber ist die Sprache mit ihrer Grammatik, also ihr inhärenten Logik, der Anlass überhaupt zur Philosophie. Das hier als Nebenbemerkung. Das Verhältnis von Sprache und Philosophie ist natürlich so manch einen Gedankenstrich wert. Mit der Logik aber ist es auch so eine Sache, wird sie allzu formal betrieben, nähert sie sich der Mathematik an, ohne ihren Umfang und Fähigkeiten je erreichen zu können. Aber ohne Logik lässt sich gewiss ebenso wenig philosophieren wie ohne Sprache. Der nette Spruch: “Hättest du geschwiegen, wärst du Philosoph geblieben” kann nur bestenfalls für jene gelten, die schon Philosophen geworden sind. Durch Schweigen allein wird man kein Philosoph. Nietzsche lehrte uns nicht zuletzt, ein wenig auf die grammatisch-logischen Fallstricke zu achten, wie etwa in der Trennung des Subjekts vom Prädikat wie im Fall "ich will'. Das möchte ich aber noch mit Bilals Frage, woher man denn genau wissen könne, was man möchte, näher erläutern.
Hier sei auf Nietzsche im anderen Zusammenhang eingegangen, nämlich mit einem Kurzreferätchen seiner Gedanken in "Jenseits von Gut und Böse": die Umwertung des Guten. Darin ist deine Frage nach gut und böse bestens beantwortet. In der Genealogie dieses Paares, sagt Nietzsche, steht die Bedeutung des Wortes 'gut' im ritterlichen, wir würden sagen: sportlichen Sinne. Stärke, Ausdauer, Schnelligkeit, Vitalität, Geschwindigkeit sind gut im Sinne von guten Eigenschaften sowie auch kostbarem Besitz als Gut, wie z.B. ein Stück Land oder ein Haus, wie man ja auch sagt: die Gesundheit ist ein hohes Gut. So wird Gut zum Adjektiv; gut als positive Bewertung. Und im ritterlichen/sportlichen Sinne ist davon das Gegenteil schlecht. Erst in der schwächlichen und nicht ritterlichen christlichen Moral wird das Schlechte, was Ritter eben als nicht leistungsstark verachten, zu etwas Gefährlichem stilisiert und böse. Das Böse ist das Destruktive, Amoralische, Unsittliche, Unanständige, Gefährliche, Verderbliche. Das Böse verleitet uns zur Sünde, zum Abweichen vom tugendhaften Pfad Gottes. Das “Böse” will als Begriff die Normabweichung brandmarken. Eigentlich ist die Beschreibung und Verfolgung des Bösen ein Werkzeug zur Festigung der Macht, die andere als “gut” zur Folgsamkeit unterwerfen möchte. Das "Böse" soll eben durch Furcht und Schrecken auch abschrecken. Es soll hässlich und abstoßend sein, ekelerregend und furchteinflößend quasi der reinste Horror. Satanisten treiben ihren Schabernack mit dieser Intention, indem sie sich gerne als hässlich und schrecklich geben und so das Böse für sich annehmen. Dabei kann mancherlei Unfug entstehen und auch lebensfeindlicher Unsinn entstehen; das ist eben das negative Verhaftetsein im selben theologischen Moraldiskurs nur mit umgekehrten Vorzeichen.

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Im Gegensatz zu Ihnen verehrter Meister, LIEBE ich "Schubladendenken", jawoll. Es schafft Ordnung im Haus und im Kopfe. Die einzelnen Schubladen befinden sich in einem barocken Vertiko und sind nach Themen sauber beschriftet. Und auf dem Möbel; Ein Sammlung meiner prächtigsten Gartenzwerge.

Werter Meister Otto, nun haben Sie den Poetenolymp um ein gar symbolträchtiges Bild sehr dienlich als Metapher bereichert. Ein Vertiko für Ihre Schubladenordnung mit den prächtigsten Gartenzwergen obendrauf. Man sollte nicht allzu fest an den Schubladen rütteln, wenn sie mal ab und an klemmen, damit kein Gartenzwerg zu Schaden kommt. Gewiss stimme ich Ihnen vollumfänglich zu, dass Schubladen für die gute Ordnung sehr dienlich sein können. Allein müssen wir uns vor Verabsolutierungen schützen, wie uns der Meister des dialektischen Faches Bert Brecht in seinem Buch "Me-Ti. Buch der Wendungen" lehrte. Sätze wie "der Regen ist gut" oder "der Regen ist schlecht" greifen zu kurz. Wir Bauern und Gärtnersleute wissen den Regen zur rechten Zeit in guten Maßen sehr zu schätzen, wissend, dass Fluten davon eine Menge Schaden anrichten können. Nun können Sie natürlich sagen: Der Kollege aus dem Orient vergleicht Regen mit Schubladen". Doch Sie ahnen den Sinn meines Sinnierens. Es handelt sich um das rechte Augenmaß für Feinheiten nicht nur sprachlicher Natur. Letztendlich plädiere ich für ein feines anarchischen Denken. Wohl mit Bedacht, dass das Gegenteil von Anarchie, trotz häufiger Konnotierung derselben mit Chaos, nicht Ordnung ist, sondern Hierarchie. Eine besondere Form der Ordnung, die sich schematisch in einer Pyramide darstellen lässt. Die Begriffspaare lauten also: Anarchie-Hierarchie und Chaos-Ordnung. Die natürliche Ordnung der Dinge kann als durch Anziehung und Abstoßung geschaffene Strukturen wie Moleküle gesehen werden. Während wir in der Biologie schnell hierarchisieren, sollten wir die Dinge besser physikalisch und chemisch atomar und molekular betrachten, so kommen wir zur Wissenschaft als Kunst nach Paul Feyerabend. Dann ist aber erstmal Feierabend. Statt Bäume und Pyramiden bevorzuge ich Rhizome und polygonale Netzgebilde. Auch Anarchie braucht Struktur und Ordnung, sonst wird aus Herrschaftslosigkeit Chaos und Tohuwabohu. Da rufe ich zur guten... betone zur GUTEN ORDNUNG auf. Keine Schubladen und kein Regen führen nur zur Verwüstung. Es grüßt Sie die Orientalische Nachtigall, die Sie ab und an trapsen hören können.

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Die Antwort auf @ShortMan679 als Bilanz meiner Schreibereien ist nicht nur kurz ausgefallen, gemessen an meiner Marginalie zum Hexenhammer, sondern auch lückenhaft... Von 550 Folgen ist die Rede und gemeint ist natürlich SOKRATES, der kafkASKe Fortsetzungsroman...

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Aber das Grundthema: die Selbstverständlichkeit, mit der man Dinge im Kopf abgespeichert hat, zieht sich ja durch die Antworten... eine «profane» oder «ganz normale Mörderin» lässt sich so selbstverständlich leicht sagen, und doch ist uns, sobald wir den Finger darauf legen, sofort klar, dass an einem Mord nichts selbstverständlich ist. Aber es sind doch tatsächlich diese Selbstverständlichkeiten, die elenden Unsichtbarkeiten, man nimmt sie nicht wahr, weil sie einen ständig umgeben und man sogar mit ihnen groß wird, die «das System» letztendlich stärken und überlebensfähig machen. Ich habe in Adornos Denken und seinen Vorträgen und Aufsätzen neu entdeckt, wie er diese Selbstverständlichkeiten dialektisch aufzuheben und als Zwischenschritt kurz davor sichtbar zu machen versucht. Während ich von Meister Otto @druide0815 ein kleines Lob des Schubladendenkens erhalte, weil Schubladen eben sehr nützlich sind und aufräumen und sortieren helfen, muss ich Adorno aus der Schublade des linken Rationalismus herausholen, wohin ich ihn gesteckt hatte. Aber auch Meister Otto wird es kennen, wenn man beim Aufräumen, etwas in die falsche Schublade steckt, muss man bisweilen verwundert lange suchen, bis man es wiederfindet, denn es ist eben nicht da, wo man es logisch annimmt und vermutet. Adorno ist sensibel und sensualistisch und gehört gewiss nicht in die rationalistische Schublade. Es lohnt sich, seine Vorträge auf Youtube zu hören oder als Buch zu lesen. Und da komme ich auch schon wieder zu meiner Bilanz: In den «365-Gedankenstrichen» möchte ich so manches Mal auf die «Dialektik der Aufklärung» eingehen und bin mittlerweile (diese Antworten mitgezählt) beim 59. Gedankenstrich. Auch meine Bilal-Dispute haben selbstverständlich Eingang in die Schreibprojekte gefunden. Und Jemands @DerBilal provokante Frage nach dem, wer denn entscheide, was «richtiges» und «falsches» Leben sei, hallt ja noch immer nach - das ist eine Frage mit einem großen Resonanzkörper, möchte nun fast orthographisch verrückt von einem «Räsonanzkörper» sprechen ;) Also wird kräftig weiter räsoniert. Momentan möchte ich in meinem selten benutzen Blog «Archiv für ungeschriebene Texte» einen Text unter dem Titel verfassen «Treffen in Tabarz»; da ich mich dort mit meinem 94-jährigen Schwiegervater getroffen habe, um zwei Wochen in Gesprächen Biographiearbeit zu machen. Seit einer Woche erzählen wir uns schon fast pausenlos, meine Spaziergänge mit Diego dienen zur Erholung. In meinem gewohnten Leben dienen sie eher dazu zu philosophieren und zu sinnieren, der Melancholie zu huldigen oder über Konventionen und Zwänge nachzudenken. Nun atme ich aber tief Thüringens gute Luft ein und denke mir: Goethe kann es nicht schöner gehabt haben als ich. Das verpflichtet! Ich sollte auch gute Texte produzieren, aber ohne mich unter Druck zu setzen. Meine erste Frau fragte schon, was es denn mit dem «Biographischen Archiv» auf sich habe, worin die Erzählungen und Erinnerungen ihres Vaters einfließen werden.

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Hach ich liebe deine Antworten einfach :) Eigentlich bin ich ja nur ein Hexenhämmerle sozusagen. Heinrich Kramer war mir zu radikal in Bezug auf die armen Frauen die seinetwegen auf dem Scheiterhaufen landeten.

ShortMan679’s Profile PhotoSaturas
Ich möchte, um mich mal wieder zu sortieren, eine kleine Zwischenbilanz meiner diesjährigen Schreibereien und Schreibpläne ziehen. Und nichts scheint sich dafür so gut zu eignen wie Deine sehr nette Nachricht; doch zuvor noch eine kleine Marginalie zum Hexenhämmerle:
Wir sind es alle wie selbstverständlich gewohnt, die Hexenverfolgungen als eine abergläubische und brutal autoritäre Marotte einer verrückten römisch-katholischen Kirsche zu deuten. Mit einem staunenden Kopfschütteln mal mehr, mal weniger empört übergehen wir die Phänomene mit einer längst bis zur totalen Unsichtbarkeit entwickelten Selbstverständlichkeit. Hier spiele ich gerne auf die Gadamersche Aussage an: das Selbstverständliche ist das Unsichtbare. Unsichtbar geworden sind Machtverflechtungen, die sehr perfide verlaufen und nicht zerschlagen werden können, selbst wenn wir sie bewusster wahrnehmen würden. Es ist viel zu wenig, die Verflechtungen zwischen Kirche und Staaten theoretisch mal erwähnen zu können, ohne eine Gegenpolitik zu entwickeln. Hierzu gehört eben auch, die Wahrnehmung der Hexen- und Ketzerverfolgungen. Man hat mit großer Systematik und Akribie alles an alternativem Wissen über Jahrhunderte auszumerzen versucht, Wissenstraditionen gelöscht und zugleich Angst und Schrecken verbreitet und ein Grauen in der Welt erschaffen, was man schauderhaft auch mit etwas Schadenfreude beobachtet: «Ach so kann es einem ergehen, wenn man "Unsinn" behauptet oder das Falsche glaubt! Da weichen wir mal lieber nicht von der Normalität ab.» Nach dem Motto: «Nicht auffallen, da kann man nicht reinfallen!» Man kann sich das Rädern, Folterungen schlimmster Art und ein Ende auf dem Scheiterhaufen oder soziale Ächtung und Isolation ersparen, wenn man gedanklich nicht viel herumexperimentiert. Zugleich hat sich natürlich gerade durch die Hexenverfolgung ein Patriarchat immer weiter, tiefer, perfider etabliert, was auch der scheinbare Gegenspieler der Kirche: die Wissenschaft gerne übernommen hat, bis ins 20. Jahrhundert: Sigmund Freud gehörte zu den wenigen Professoren, die ihre Vorlesung mit «Meine DAMEN UND Herren» begannen. Die Dinge sitzen zum Verzweifeln tief und können nicht mal so eben reformiert werden. Der Elan Mortal hat eine lange, sehr fundierte und tief verwurzelte Tradition. Ich beginne auch von einer "Gegenkultur" zu sprechen; und man darf nicht meinen, dass diese Gegenkultur mit der "humanistischen" nicht verschränkt wäre. Doch was tun spricht Zeus. Die Welt ist weggegeben.
Ich dichte und schreibe immer weiter: und zu meiner vorläufigen Bilanz gehört, dass sich neben den knapp 550 Folgen auch zwei Buchprojekte entstanden sind, die miteinander zu tun haben: «365-Gedankenstriche» und daraus ein Derivat als Manifest: «Uri Bülbül und die 40 Thesen». Diese Arbeiten beziehen sich auf die Kulturphilosophie. Und was ich bis Oktober geschafft haben wollte, wird sich, so wie sich die Dinge abzeichnen, nicht realisieren lassen.

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Was mache ich, wenn meine Katze seit Monaten keine Miete mehr bezahlt? Soll ich sie rauswerfen?

Sonicexe’s Profile PhotoDie Sendung mit der Lexi
Geld ist ein Ausdruck menschlicher Verhältnisse. Ist dir noch nicht aufgefallen, dass deine Katze kein Mensch ist? Vielleicht solltest du sie freilassen, was du "rauswerfen" nennst. Der Unterschied ist natürlich, dass sie ja bleiben kann, wenn sie mag, und wenn du sie rauswirfst tust du ihr Gewalt an.
Aber mal weg von der Katze... mir gab dieses Video zu denken:
https://www.arte.tv/de/videos/104840-009-A/kann-geld-aus-dem-nichts-entstehen/

Würdest du sagen das du eine Depressive Person bist ?

Nein, das wäre ein Missbrauch einer ernsthaften Krankheit für meine Stimmungsschwankungen. Ich bin melancholisch, rührselig, manchmal zu emotional aufbrausend, jemand fand mich letztens zu "humanistisch", aber ist nicht gerade die hellste Kerze auf dem Ständer, und ich bin nicht depressiv. Ich bin dafür sehr dankbar, denn meine Empfindsamkeiten, mein Humanismus, meine Rührseligkeit und meine Empathie für meinen vierbeinigen Freund und Begleiter, meine Sensibilität sind nicht Pathologien! Für mich sind all diese meine emotionalen Züge Anzeichen starker vitaler Gesundheit. Das macht mein Leben nicht leichter, aber mit dem Leben hadern führt zu nichts.

Apropos Ulrike Meinhof: Ist sie so ganz profan gesagt eine ganz normale Mörderin? Oder ist sie für dich eher eine Märtyrerin? Oder etwas ganz anderes?

ShortMan679’s Profile PhotoSaturas
Elisabeth Käsemann war eine Märtyrerin. Aus einem linken sozialen Projekt in Argentinien von Putschisten verhaftet, bei bewusster Ignoranz des Auswärtigen Amtes der BRD unter der Leitung von Hans-Dietrich Genscher, der die Waffengeschäfte mit Argentinien nicht unnötig belasten wollte, gefoltert, vergewaltigt und letztendlich, als klar war, dass kein offizielles Ersuchen mehr aus der BRD kommen würde ermordet. Ulrike Meinhof hat selbst zur Waffe gegriffen, um einen vollkommen sinnlosen, weil aussichtslosen Kampf zu führen, bei dem konsequent Menschen zu schaden kommen würden. Das hat sie in Kauf genommen. In erster Linie ist sie für mich die Autorin von "Bambule", dann eine protestantische Pfarrerstochter, wobei die Kultur ihrer Herkunft häufig Individuen so etwas wie ein Atlaskomplex auferlegt, so dass diese Individuen meinen, sie müssten wie Jesus alle Last der Welt, alle Ungerechtigkeit auf sich nehmen und sich aufopfern. Elisabeth Käsemann hatte womöglich auch einen Atlaskomplex, aber sie zog keine irrwitzigen militanten Schlüsse daraus. Ich finde deine Formulierung "eine ganz normale Mörderin" bis zur Debilität profan! Du stellst dich auf den Hexenhammer und schaust auf Mörder herab! Weißt du denn so eindeutig, welcher Weg zum Mord führt? Ich würde profane Urteile nicht übernehmen und überhaupt wäre es sinniger sprachsensibel den religiösen Diskurs zu verlassen. Nicht profan, keine Märtyrerin. Wer tötet, begeht Mord, könnte man sagen, dann kommt man zu den Diskussionen, ob man Soldaten pauschal "Mörder" nennen darf und ich würde auch gerne fragen wollen, ob Waffenlieferungen in Krisen- bzw. Kriegsgebiete nicht Beihilfe zum Mord ist. Ich sehe, um auf den Hexenhammer zurückzukommen, das Böse im Destruktiven dem Leben gegenüber und das Gute in der Beförderung des Wohlbefindens aller. Das Leben selbst setzt uns da paradoxe Grenzen. Fördert der Metzger das Wohlbefinden aller? Er ist aber jedenfalls kein Mörder, weil er keine Artgenossen tötet. Wer auf das Töten von Artgenossen abzielt, mordet. Jeder sollte durch sein individuelles Verhalten ein Stück weit dazu beitragen, dass staatliche Tötungspolitik erschwert und nicht erleichtert wird. Wenn man dieses Individualverhalten politisiert denkt, dann muss man konsequenter Weise sie über Staatsgrenzen hinweg denken. Es kann also nicht sein, dass die ukrainische Friedensbewegung auf Gewalt verzichten möchte, die russische Friedensbewegung aber sich nicht den kriegerischen Handlungen in den Weg stellt! Und dann muss man einen Schritt weitergehen und sagen, dass alle Menschen sich vereinigen müssen, um Gewalt und Unterdrückung zu verhindern. Der Blick auf Ulrike Meinhof ist nicht unbedingt hilfreich für einen umfangreichen Friedensdiskurs. Wir sollten lieber auf die Abgründe der Seele schauen: wie oft wird autoritäre Gewalt ebenso präferiert wie opportune Ignoranz. "Ich kann nicht hinschauen, wenn ein Tier getötet wird", Fleischkonsum aber geht ebenso wie Spielfilme.

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Lieber Uri, welcher geschichtlich wichtigen Figur bist du am Ähnlichsten und was macht dich zu dieser Person?

ShortMan679’s Profile PhotoSaturas
Ich liebe Außenseiter, hochintelligente, bedeutungslose Gestalten, denen die Gesellschaft so blöd ist, dass sie nicht die geringste Lust haben, darin wichtig zu werden. Ein Diogenes von Sinope, der Zyniker. Ihm folgend habe ich meinen Begriff der Kynosophie entdeckt. Ich liebe Hölderlin, der sich konsequent weigert, dem Wunsch seiner Mutter folgend die sichere Existenz eines württembergischen Pfaffen anzunehmen, experimentelle Texte schreibt, revolutionäre Gedanken hat, sich als Hauslehrer bei einem Frankfurter Bankier verdingt und die Frau des Hauses zur Geliebten bekommt. Aber bitte, für Geschichtsschreiber waren Typen wie Goethe, Napoleon, Hitler wichtig, weder Diogenes noch Hölderlin. Was also ist eine "geschichtlich wichtige" Figur? Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg oder Ulrike Meinhof? Wenn schon, dann wäre das eher mein Lager, Georg Büchner oder Erich Fried! Kein Brecht, diese etablierte Lusche! Und dann wird er in den Buckower Elegien weinerlich. Etabliert war eein weiterer auch, aber immer schön mit Geist und Verstand: Gotthold Ephraim Lessing! Ich wünschte, ich wäre so cool wie er. Aber diese Leute sind nicht geschichtlich wichtig, sondern geistig! Und dann ist mir letztens noch eine Tussi über den Rechercheweg gelaufen, eine Karrieristin aus dem SPD-Adel, hat den Begriff des "Framing" entwickelt: Elisabeth Wehling. Nicht für zehnhochzehn Millionen Euro möchte ich die geringste Ähnlichkeit mit dieser Peinlichkeit. Vielleicht noch übertroffen von Bärbock oder wie sie heißt! Ekel, schal und flach ist mir diese Welt, wie Hamlet es sagte. Nun hat es Hamlet nicht einmal wirklich gegeben, geschweige denn, dass er geschichtlich wichtig gewesen wäre. Aber ihm möchte ich auch nicht ähnlich sein, obwohl er einige Aufmerksamkeit verdient und von mir bekommen hat. "Geschichtlich wichtig" ist das Problem deiner Frage! "Geschichtlich wichtig" ist der Abschaum der geistigen Bedeutsamkeit. Dann kommt noch hinzu, dass eine wie auch immer wichtige Figur bei aller Biographie und bei allen Einflüssen am ehesten sich selbst ähnelt. Aber mir fehlt die rebellische Energie eines Friedrich Hölderlin, dafür hat mir der Kosmos die Liebe eines großherzigen Herdenschutzhundes geschenkt, die ich gegen nichts in der Welt tauschen würde. Der Mut einer Ulrike Meinhof, das literarische Genie eines Georg Büchners, die große Melancholie eines Hamlet - von allem habe ich zu wenig, kann darüber lächeln, weil ich meinen Freund habe. Er hat nämlich allen anderen gefehlt... na ja, bis auf Adolf, er hatte Blondi, wenn das nun die Ähnlichkeit zu einer geschichtlich wichtigen Person ausmachen soll, dann Prost Mahlzeit!

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