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Uri Bülbül

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Wie alt bist du?

In meiner Profilbeschreibung steht: «Uri Bülbül, geboren 1963». Du hast eine Antwort nicht verdient. Gut, dass du anonym bist. Bitte, bleib das auch!
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Ist die Türkei überhaupt noch ein Rechtsstaat?

The_open_door’s Profile Photoet immutati
Zunächst einmal: ich schätze es sehr, dass du deine ask-Herzen unter meinen Antworten hinterlässt und mich auch mit deinen Fragen beehrst. Danke dafür :)
Der Begriff der Rechtsstaatlichkeit wird überschätzt. Die Idee der Rechtsstaatlichkeit ist eigentlich ein Widerspruch in sich ist, der schwer zu begreifen, aber meiner Meinung nach dennoch vorhanden ist. Ich nenne es mal die „Dialektik des Staatswesens“ oder auch gerne des „Staatsapparates“! Kurz noch einmal zur Wiederholung: der Begriff der „Dialektik“: etwas entwickelt sich mit unausweichlicher Notwendigkeit, bis es sein Gegenteil hervorbringt. Z.B. Herr-Knecht-Dialektik: der Knecht muss arbeiten (sonst wäre er kein Knecht); die Arbeit aber macht ihn klug, stark und theoretisch selbständig; denn er lernt durch die Arbeit und kann sie bald auch selbst organisieren. Der Herr ist froh, dass er einen Knecht hat, der alles für ihn erledigt, bis irgendwann aus diesem Verhältnis notwendigerweise die Frage erwächst: Wozu braucht der Knecht den Herrn, wenn er eh alles selbst erledigen muss und kann?
Zurück zum Staat: der Staat braucht auf jeden Fall Gesetze; ohne Gesetze kein Staat. Sie sind das Instrument der Regierung durch Herstellung von Verbindlichkeit. Wenn man ein Gesetz mal einhalten und mal mißachten kann, ist es kein richtiges Gesetz. Daraus erwächst die Vorstellung, dass sich an Gesetze alle zu halten haben. Kommt nun der Gedanke der Gerechtigkeit dazu, wird es zur Idee der Rechtsstaatlichkeit. Nun kann man hier schon das Herr-Knecht-Verhältnis angedeutet sehen: das Gesetz ist der Knecht des Staates.
Aber meine dialektische Vorstellung geht einen Schritt weiter: der Staat ist ein Herrschaftsinstrument und darin die Gesetze ein Instrument des Instruments. Eine wahrhaft gerechte Gesellschaft bedarf keiner Herrschaft der einen über die anderen, also bedarf sie auch nicht des Staates und auch nicht der Gesetze.
Recht und Gerechtigkeit setzen sich anders durch. Das wird meine anarchistischen Follower erfreuen ;)
Die anderen werden die üblichen Anthropologismen auspacken: «Da bricht ja das Chaos aus!»; «Der Mensch ist von Natur aus habgierig und braucht Grenzen und Gesetze!»; «Wer schützt die Freiheit, wenn es keine gesetzlichen Grenzen gibt?!» usw.
Diese Diskussionen sind zu führen, brauchen aber viel Raum. Worauf ich hinaus will, ist: Rechtsstaatlichkeit selbst ist paradox und muss diskutiert werden; denn im Grunde, gibt es sie nirgends wirklich. Wir, die wir in der Bundesrepublik leben, erfahren mehr Rechtsverbindlichkeit als Türken je erfahren haben - es gab in der Türkei zu keinem Punkt ihrer Geschichte eine mit der BRD vergleichbare Rechtsstaatlichkeit. Die Gründe hierfür sind historisch; Deutsche müssen nicht überheblich werden; denn sie haben sich ihr System nicht selbst ausgesucht und etabliert, sondern nach 1945 aufgesetzt bekommen.
Das philosophische Ideal aber ist die Aufhebung jeglicher Staatlichkeit ;)

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Guten Morgen, Uri. Welche Farbe soll dein Tag heute tragen? Wird es gar ein ganzer Regenbogentag?

Ich las deine Frage und freute mich einfach nur sehr. Was interessiert mich das Wetter draußen, wenn du mir die Sonne scheinen lässt? Ich wollte schreiben: alle Sonnenfarben, gelb und grell, blau und bunt, der Frühling in seiner vollen Pracht in Bestform.
Dann klingelte es an der Tür: ich rannte die Treppen hinunter und sah, was ich sah: einen Mann mit langem, grauem Bart, freundlichen blauen Augen, etwas rundlich und größer als ich aber in etwa meiner Statur; «Herr xy vom Hauptzollamt Duisburg!» Ich bat ihn herein, stand im kalten Flur in Unterhose und T-Shirt. Er zeigte mir einen Ausweis, der mich nicht weiter interessierte. Selig war ich, einfach einen freundlichen Vollstreckungsbeamten getroffen zu haben - aber diesbezüglich habe ich meistens Glück. Ich traf bis jetzt nie auf einen unfreundlichen und sturen Vollstrecker.
Mein Wohnzimmer eiskalt, der Flur, eiskalt: «Macht es Ihnen etwas aus, mich nach oben zu begleiten und in meiner warmen Studierstube weiter zu reden?» fragte ich. «Nein, nein, wo Sie wollen!» kam als Antwort. So berührte ich seine Schulter, ging an ihm vorbei, die Treppen hoch ihm voraus und ins warme Arbeitszimmer.
Der Esstisch von gestern Abend noch unaufgeräumt: «Ach, haben Sie gerade gegessen?» «Nein, nein, ist noch von gestern Abend. Warten Sie ich mache Ihnen Platz.» «Ich brauche nicht viel Platz. Wohin darf ich mich denn setzen?» Noch bevor ich ihm einen Stuhl zeigen konnte, hatte er sich schon für meinen Arbeitsstuhl am Arbeitstisch entschieden.
Dann zückte er den Computer: «Ich komme...» «...wegen der Künstlersozialkasse, ich weiß, ich weiß!» «Was haben Sie denn mit denen zu tun? Sind Sie Künstler?» «Ja, so etwas Ähnliches. Aber die KSK erkennt mich nicht in meiner künstlerischen Tätigkeit an, wenn sie mich versichern soll, aber wenn es darum geht Altschulden beglichen zu sehen...» «...dann schickt sie mich!» Er lächelt freundlich. «Ich könnte Ihnen Fälle erzählen! Da hatte einer mal einen größeren Auftrag...» «...und hat ihn nicht angegeben, weil er davon wahrscheinlich ein Jahr lang leben wollte.» Er lächelt wieder freundlich. «Sie sind am Puls der Gesellschaft, Sie sollten darüber berichten...» «Ich bin Bundesbeamter und unterliege der Schweigepflicht.» «Ja, so ist unser Staat.» Er lächelt wieder freundlich. «Haben Sie unterhaltspflichtige Kinder?» Ich zeige ihm einen Brief des Jobcenters, wo meine leibliche Tochter, die ich nie gesehen habe, Unterstützung erhält; er liest: «„Sollten Sie Ihrer Auskunftspflicht nicht nachkommen, kann ich Ihre Einkommensverhältnisse von Amts wegen ermitteln.“ Das sehen Sie gelassen stimmt's?» Jetzt lächle ich freundlich. Die Daten sind schnell aufgenommen. «Das war's schon! Bei Ihnen ist nichts zu holen», klappt seinen Laptop einfach zusammen. «Wollen Sie ihn nicht runterfahren?» «Nein, ist nicht der schnellste!» Zum Abschied gibt er mir die Hand. Mein Tag hat einen schönen langen Bart und freundliche Augen.

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Wie entdeckst du meistens neue User? Durch Likes? Anhand Antworten auf der Startseite? Oder doch eher anhand Fragen, die man dir stellt?

Nicolai1995’s Profile PhotoialociN
Ha, ha, bei meiner Aufzählung soeben, tauchst du gar nicht auf, aber wir folgen einander, glaube ich, seit meinen ask-Anfängen! Und über Facebook kennen wir uns ja auch :)
Fragen von dir sind eher rar geworden, aber bei Bedarf gibt es immer eine Kommunikation, nicht wahr?
Ich habe bei der Entdeckung neuer User eine Mischkalkulation: manchmal stoße ich über Feed auf neue Leute, manchmal durch deren Likes und manchmal, wenn ich die Profile meiner Verfolgten durchgehe.
Allgemein kann ich die Klagen über das Niveau auf ask sehr gut nachvollziehen; aber jeder, der sich beklagt, kann ja auch etwas zur Niveauanhebung beisteuern. Die Gesellschaft ist insgesamt auf einem beklagenswerten Niveau - warum sollte das auf ask anders sein; aber eine Handvoll von netten und guten Leuten findet man schon.
Ich bin auf meine alten Tage bescheiden geworden.

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Es sind noch genau 30 Verfolgte übrig geblieben, nachdem ich mal aussortiert habe. Was hält dich persönlich noch auf ask?

Es gibt schon Tage, an denen ich mich das auch frage. Aber es gibt schon noch einiges an guter und netter Kommunikation auf ask und manche Leute, die zwischendurch mal weg waren, kommen auch wieder. Ich habe mich zum Beispiel sehr über Elses @Erwachsenenstammtisch Rückkehr gefreut. Aber da sind schon noch einige andere, mit denen ich sehr gern kommuniziere: @Gehirn_Zelle, @Drehpimmel3000, @Gedankenkammer, @VictorEremita, @The_open_door, @ShortMan679, @Maulwurfkuchen, der den SOKRATES-Roman inhaltich bereichert, @DerApfeltyp und einige andere mehr. Und du bist doch auch noch da; im Grunde kann ich mehr als 5-10 Fragende auch kaum bedienen. Es kommen noch einige interessante Fragen herein und bleiben erst einmal auf meiner Warteliste. Und wenn ask nicht mal wieder 2500 davon löscht, werde ich sie auch nach und nach beantworten - das zumindest würde mich noch solange auf ask halten, wenn gar keine neuen Fragen mehr kämen. Zur Zeit habe ich noch ca. 700 und meinen Fortsetzungsroman, den ich vor mich hin schreibe, egal, wieviele Leute ihn lesen und mögen.

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Dein Lieblingsgericht mit Bananen? Gerne mit Rezept!

Ist es mit dem Klimawandel schon so weit, dass sogar Fischköppe Bananenrezepte benötigen?
Den verstrahlen Fisch kann man bald nicht mehr essen. Ist sehr vernünftig und zukunftsweisend, dass du schon Bananenrezepte sammelst, aber ich kenne nur die gebratene Banane mit Honig; ich habe fast 20 Jahre Bananen boykottiert, weil gemeiner ausbeuterischer Handel dahinter steckt. Aber ich trinke auch blutigen Kaffee; in diesem Land macht man sich schon die Häne blutig, wenn man nach frischer Luft schnappt.

Was ist dein Licht in der Dunkelheit?

Meine Intuition. Ein schönes warmes Kerzenlicht, flackert und wirft auch unheimliche Schatten und muss vor Zug und Wind geschützt werden, braucht einen behutsamen Umgang. Ich finde sie zudem sehr romantisch.
Außerdem ist es im Dunkeln nie ganz dunkel - das wäre Finsternis. Irgendwo ist immer etwas zu sehen und zu erkennen. Der Mond leuchtet mir auch in die Dunkelheit.
Und in einer stürmischen Regennacht wie dieser bleibe ich lieber in der Dachstube, wo ich elektrisches Licht habe: Meine Vernunft.

Eine Frage, die uns sicherlich alle bewegt, Uri: Warum? Aber wohin bewegt sie dich? Und kannst du mich mit deiner Antwort bewegen?

Nein, ein „Warum?“ bewegt uns nicht wirklich, es ist immer nur das „Wie?“. Wenn ich dir eine Tüte Gras verstecke, fragst du nicht: „Warum sollte ich es haben wollen?“, sondern: „Wie finde ich das Versteck?“. „Wo?“ kann ich auch gelten lassen, aber dahinter steckt doch in diesem Fall wieder das „Wie?“ und kein „Warum?“ weit und breit ;)

Nein ich bin oft sehr unvernünftig, folge doch immer wieder meinem Herzen, aber das, ist leider danach oft mit viel Schmerz verbunden. Manchmal würde ich mir wünschen, das mein Verstand, bei mir mehr zu sagen hätte ..

The_open_door’s Profile Photoet immutati
Ich bitte dich, meine Antwort auf deine Frage «Herz vs Verstand» noch einmal zu lesen. Diese Gegenüberstellung ist ein Konstrukt wie ein Computerprogramm, das Schmerz vorprogrammiert. Und du beendest das Programm nicht mit den oben in deiner Frage gewählten Formulierungen, sondern schreibst es fort, bedienst dich des Programms. Mit Herz zu handeln, dem Herzen zu folgen, heißt nicht unvernünftig handeln.
Wenn du aber das Drama so schreibst, dass das Herz immer nur die unvernünftigen Dinge verlangt und natürlich emotional stärker ist, so dass der Vernunft nur die Rolle des Widerstands übrig bleibt, bis sie nicht mehr widerstehen kann, dann muss auch Schmerz das Ergebnis sein.
Dieses Konstrukt kann man insgesamt verändern. Neues Stück, neues Glück, aber bitte nicht wieder im gleichen Muster.

Herz vs Verstand. Wie triffst du Entscheidungen? Bereust du sie manchmal? :)

The_open_door’s Profile Photoet immutati
Nein, bei mir steht nicht Herz gegen Verstand, die beiden sind ein gutes Team und arbeiten Hand in Hand. Klar können sich trotzdem manche Entscheidungen als falsch heraus stellen, aber das Leben ist ein fortlaufender Text; wozu also Reue? Ich versuche die Fehler zu korrigieren und die Entwicklungen in neue oder andere Bahnen zu lenken. Ich halte es für einen großen und entscheidenden Fehler. zu glauben, dass Herz und Verstand als Gegenspieler angesehen werden; denn dann handelt es sich nicht um deinen Verstand, sondern darum, was du gesellschaftlich indoktriniert bekommen hast, wie du die Dinge zu verstehen hast. Es ist also gar nicht dein Verstand, der gegen dein Herz steht, sondern der konventionelle Verstand, der dich zum Sklaven der gesellschaftlichen Macht machen will. Dein Herz rebelliert, aber du verrätst diese Rebellion an den Verstand, indem du sagst: «Nein, liebes Herz, es ist nich vernünftig, was du willst!»
In Tat und Wahrheit aber müsste dein Verstand dem Willen des Herzens folgen und die Wünsche des Herzens zu erfüllen suchen. Der Verstand steht bei einem nicht entfremdeten Menschen im Dienste des Herzens.
Das schützt vor Fehlern nicht: das Herz kann sich ebenso irren wie der Verstand, aber es sind dann wenigstens deine Irrtümer. Und in deinem Modell versteckt sich die Annahme, dass das Vernünftige nie ein Irrtum sein kann: und das allein ist schon ein sicheres Indiz von gesellschaftlicher Indoktrination.
Meine Empfehlung: Komm zu dir!

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Was ist für dich mutig?

The_open_door’s Profile Photoet immutati
Den scheinbaren Zwängen, denen man zu unterliegen glaubt, zu entfliehen, die Erwartungen der Gesellschaft nicht zu erfüllen, einen gänzlich eigenen Weg zu finden und ihn trotz zu erwartender Nachteile zu gehen, erfordert Mut und Tapferkeit. Die meisten Menschen aber glauben sich selbst zu verwirklichen, wenn sie den Konventionen folgen und dafür kleine Leckerlis als Belohnung erhalten. Sie sind wie Delphine in einem Delphinarium, die auf Pfiff durch Reifen springen und Kunststückchen zeigen und den erhaltenen Fisch für Selbstverwirklichung halten.

Von welchem deiner Ziele, hast du dich im Laufe der Zeit verabschiedet oder verabschieden müssen? Warum war das so?

The_open_door’s Profile Photoet immutati
Ein wichtiges und sehr früh gestecktes Ziel war es, Literaturprofessor zu werden - ein viel zu früh gestecktes Ziel. Als ich das Universitätsleben immer näher und immer besser kennenlernte, bis in die Verwaltungs- und Gremieneingeweide der Bestie vordrang, desto ekelhafter wurde es. Selbst in der Wirtschaft wird nicht so skrupellos ausgebeutet wie an der philosophischen Fakultät, weil dort wenigstens kein Idealismus herrscht, sondern Leistung gegen Geld steht. Wer aber leidenschaftlich gerne philosophieren und der Philosophie nachgehen möchte, wird an der Universität auf eine gemeine Weise ausgebeutet; er muss lehren und bekommt dafür nur die Erlaubnis, die Lehre zu erteilen und darf sich glücklich schätzen, während es aber auch in der Hierarchie hoch stehende wenige fürstlich bezahlte Professoren gibt. Für dieses System lohnt es sich nicht, das Hirn zu zermartern und quälende Arbeiten auf sich zu nehmen. Das Einzige, was sich wirklich lohnt, ist ganz ohne Karriereziele einfach der Sache wegen zu studieren, wenn man dafür keine Studiengebühren zahlen muss.
Der Abschied von der Universität war für mich schmerzlich, weil die Realität irgendwann sehr von meinen Idealen und den Anfängen meines Studiums abzuweichen begann. Ein Traum wurde vor meinen Augen von einer skrupellos dümmlichen „Hochschulpolitik“ zerstört.

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Was würdest du niemals tun und warum nicht? :)

The_open_door’s Profile Photoet immutati
Das Schlimmste für mich ist der Verrat an Freunden. Das würde ich niemals tun. Es gibt aber so viele Arten, wie man seine Freunde verraten kann. Es ist ja nicht nur, dass man sie und ihre Geheimnisse an staatliche oder familiäre Macht ausliefert und sie deswegen Sanktionen erleiden müssen; man kann sie auch verraten, indem man leere Versprechen abgibt, ihnen Hoffnungen macht und diese nicht erfüllt, ihr Vertrauen mißbraucht oder ähnliches. Man kann aber auch Freunde verraten, indem man in einem Streit glaubt, zu Gemeinheiten berechtigt zu sein, weil man selbst Gemeinheiten erfahren hat. Aber das Vergelten des Gleichen mit Gleichem ist ebenso Verrat und eine Niedertracht.
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Bevor ich in den Orientaljazz des heutigen Abends eintauche, und um morgen am Grünabfall-Container den Baumschnitt zu entsorgen, wieder auftauche, widme ich diese Folge gänzlich @Gedankenkammer. SOKRATES Folge 288:

Klugdiarrhoe’s Profile PhotoUri Bülbül
So ein Gefühl wie für Entfernungen, Abstände, Ordnung im Raum hatte er für die Zeit nicht. Sein Zeitgefühl trügte ihn oft, mal verging die Zeit schneller, mal langsamer, mal wunderte er sich, dass es schon wieder Abend wurde, da er gerade eben mal gefrühstückt hatte. Dabei schlief er nicht viel, war alles andere als ein Langschläfer; er hätte der frühe Vogel sein können, der den Wurm fängt, wenn er nur gewusst hätte, was das bedeuten sollte. Benjamin @Gedankenkammer sollte bald auf die Universität, was er auch sehr gerne gewollt hätte, wenn da nicht die Scheu vor dem Chaos, der Unruhe und vor dem Neuen nicht gewesen wäre. Lieber wechselte er noch im letzten Schuljahr vor dem Abitur die Schule, weil der Leistungskurs in Informatik ihm an seiner bisherigen nicht gefiel und riskierte eine unnötige Verlängerung seiner Schulzeit, als dass er sich an der Universität einschrieb. Fachlich gab es keine Zweifel an seiner Kompetenz, auch die Noten bestätigten dies. Aber selbst seinen Lehrern war es nicht wohl bei dem Gedanken, ihn demnächst der Reifeprüfung auszusetzen. Sie mochten ihn. Sie mochten ihn sogar so sehr, dass sie ihn am liebsten im Schutzraum unter ihren Fittichen behalten hätten. Dem jedoch konnte er sich nun doch mit einem sehr rationalen Argument entziehen: «Ich würde so sehr gerne Informatik und Philosophie studieren», vermeldete er, «aber der Informatikkurs an unserer Schule...» er machte eine bedauernde Miene. «Das Einstein-Gymnasium ist nunmal besser ausgerüstet.» Dem konnte niemand widersprechen. Aber sein Mathematik-Lehrer wusste genau, dass es Ben um etwas anderes ging. Warum war dieser nette junge Mann nur so menschenscheu? «Ben, ich weiß, dass du die Schule gerne wechseln möchtest, und ich akzeptiere deine Entscheidung. Das weißt du. Ich möchte aber doch mit dir reden – nicht, um dich zu überzeugen hier zu bleiben, sondern einfach nur etwas zu klären – für dich und für mich.» Der Mathematik-Lehrer Herold Frey war mit Leib und Seele Mathematiker. Seine ganze Welt konnte aus Differentialen und Integralen bestehen, aus n-dimensionalen Räumen und aus der Menge der irrationalen Zahlen, aus Vektoren und Gleichungen mit drei Unbekannten zum Nachtisch oder als Snack nebenbei. Er zeichnete Funktionskurven an die Tafel, dass es eine reine Freude war ihm zuzusehen. Und er mochte seinen Schüler Ben. Aber Herold Frey entging keinesfalls die Unruhe, die in dem nach außen hin so ruhigen heranwachsenden jungen Mann steckte. Seine Frau hatte Ben in Chemie und Biologie. Beide Fächer waren nicht gerade seine Lieblingsfächer, aber in beiden schlug er sich recht ordentlich, bewegte sich ruhig und schweigsam im Mittelfeld und wäre nicht weiter aufgefallen, wenn nicht ihr Mann sie auf ihn aufmerksam gemacht hätte: «Schau nur; er ist so still, wie eine Mine im Wasser. Er könnte ein überdimensionaler Kugelfisch sein, aber wenn man einen seiner Zünder berührt, wird es eine Katastrophe geben.»

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Welche 3 Wünsche würdest du dir wünschen?

Gibt es auch eine Fee dazu?
1. würde ich mir für @Phinaphilo etwas wünschen. Ich glaube, sie wäre sehr damit einverstanden;
2. würde ich mir wünschen, dass alle Menschen, die mit Waffen Kriege spielen, ihr Gedächtnis ganz plötzlich so verlieren, dass sie nichts mit den Dingern anzufangen wissen, die sie in der Hand haben.
3. ewiges gesundes Leben :)

Wie kannst du die Welt konkret verändern, oder willst du nur reden?

Solche schwachsinnigen Fragen kann man mir auch nur anonym stellen! Mann-o-Mann: «die Welt konkret»: hat man je eine abstraktere und paradoxere Formulierung gehört? Mit dieser Antwort könnte ich schon deine Welt konkret um eine Erkenntnis bereichert haben, wenn du nur verstündest!
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Weshalb wird hier so Detail Reich über mich geschrieben?

L1vingGod’s Profile PhotoLG
Du stehst mit deinem wunderbaren Zitat über das Jetzt und die Zeit nunmal im Mittelpunkt des Interesses und schließlich ist das hier ja auch öffentlich ;)

Wer Kant kennt, kann nicht kentern, heißt es; was aber wenn die Welt in eine Schieflage geraten ist? SOKRATES Folge 287:

Klugdiarrhoe’s Profile PhotoUri Bülbül
Der Förster hatte etwas Beunruhigendes und die Hunde mit ihrem Gebell gingen Lara auf die Nerven, obwohl sie im Wagen eingesperrt waren. Etwas hatte sie zutiefst beunruhigt. Das mochte Lara ebenfalls nicht. Wieder rief sie voll trotzigen Unmuts: «Mama!» Und wieder blickte sie der Förster kurz an. Betti ließ sich von den Launen ihrer Tochter nicht so schnell aus der Ruhe bringen. Irgendetwas zog Lara magisch auf den Parkplatz; sie war zu neugierig geworden, als dass sie länger hätte im Abseits auf ihre Mutter warten können. Als sie aber bei den beiden ankam, war das Gespräch schon vorbei; der Förster hatte erzählt, was er erzählen wollte und hatte offenbar auch etwas von Betti erfahren, was aber die Spannung in ihm keineswegs gelöst, sondern vielmehr gesteigert hatte. Er sah Lara so an, als wäre sie ein Teil dieser Spannung. Sie erwiderte mit gleichgültiger Kälte seinen Blick, mit betonter Verständnislosigkeit, als wollte sie sagen: «Ich weiß gar nicht, was Sie von mir wollen und warum Sie mich so anstarren!» Mit einem leichten Nicken in Bettis Richtung, wandte er sich von den beiden Frauen ab und seinem Geländewagen mit den bellenden Hunden zu. «Komm, lass uns gehen. Ein paar Schritte durch den Garten in den Wald werden uns gut tun.» «Ja, aber wirklich nur ein paar Schritte», schmollte Lara, «ich habe keine Lust auf eine Wanderung.»
«Es scheint, ein geistiges Wesen sei der Materie innigst gegenwärtig, mit der es verbunden ist, und wirke nicht auf diejenige Kräfte der Elemente, womit diese untereinander in Verhältnissen sind, sondern auf das innere Principium ihres Zustandes. Denn eine jede Substanz, selbst ein einfaches Element der Materie muß doch irgend eine innere Thätigkeit als den Grund der äußerlichen Wirksamkeit haben, wenn ich gleich nicht anzugeben weiß, worin solche bestehe. [Fußnote]»
Mitten im Text stand in eckigen Klammern das Wort „Fußnote“. Sollte das eine Randbemerkung sein, die an dieser Stelle Immanuel Kant machen zu müssen glaubte? Es war einfach nur aufgeblasene, leidenschaftslose Schreiberei! Zu einer wahrhaft großen Polemik war dieser Mensch nicht in der Lage! Ja, drei Kritiken schreiben – das ging, aber eine leidenschaftliche Polemik gegen einen Geisterseher, gegen einen mutmaßlichen Betrüger – das bekam er nicht hin. Darüber musste Ben eigentlich mit dem Theaterphilosophen diskutieren. Dieser aber zog sich aus irgendeinem Grund zurück. Warum war er überhaupt hier, wenn er mit niemandem reden wollte? Er wollte gleich mit den Experten des Hauses darüber zu sprechen kommen, nahm er sich vor. Dann sortierte er seine Stifte auf dem Tisch. Alle exakt und ohne Lineal, einfach nach Gefühl, in 3 cm Abstand zueinander. Er hätte nachmessen können, aber wozu. Er hatte diese 3 cm im Gefühl. Eine Eigenschaft, die dem großen Philosophen, dem Gottvater der Kritiken zu fehlen schien. Gefühl und messbare Welt korrespondierten bei ihm nicht miteinander, sondern widersprachen sich. Eine unverzeihliche Schwäche.

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Ein Hund, der gerne zerfleischt, so wie es der Sarkasmus seiner Etymologie nach tut? Na, ob das so eine vorteilhafte Assoziation ist...

ApertureTech’s Profile PhotoFlo
Es gibt Gedanken und Haltungen in der Welt, die wirklich zerfleischt gehören, wenn du mich fragst. Dieser affirmative Rationalismus, von dem ich gesprochen habe, gehört für mich unbedingt zu einer solchen zu zerfleischenden Haltung. Aber ich benehme mich leider manchmal eher wie ein kleiner kleffender Wadenbeißer und nicht wie ein echter Rottweiler. Aber ich hoffe, ich wachse noch ;)
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